Ihr wolltet schon immer einen präsidialen Drecksack stürzen? Watergate lässt Euch in die Rolle von Bob Woodward und Carl Bernstein schlüpfen.
Ihr wolltet schon immer einen präsidialen Drecksack stürzen? Watergate lässt Euch in die Rolle von Bob Woodward und Carl Bernstein schlüpfen.
Oder wahlweise in die des Vertuschers Richard Nixon. Denn einer muss in diesem Spiel für zwei Spieler „Tricky Dick“ sein. Die Watergate-Affäre, dieser legendäre Politik-Skandal, mit aufgedeckt durch den berühmtesten Scoop in der Geschichte des investigativen Journalismus, diente Autor Matthias Cramer als Aufhänger für seinen Hybriden aus Karten- und Lege-Spiel. Während Spieler*innen im Auftrag der vierten Gewalt alles daransetzen, die Amtsmissbräuche des Präsidenten publik zu machen, versucht die Gegenseite sämtliche Beweise zu vertuschen und potenzielle Whistleblower zu kompromittieren.
Um ihr Ziel zu erreichen, buhlen die Spieler*innen in der ersten von drei Spielphasen um Momentum und Beweise in Form von farbigen Plättchen. Für den Schlagabtausch steht ein Deck aus gut 20 Karten zur Verfügung, das in Händen zu je vier bzw. fünf Karten gespielt wird. Darüber lassen sich die Beweise wie beim Tauziehen auf der so genannten Rechercheleiste bewegen. Oder aber man spielt Aktionen aus: Als Journalisten stehen Euch etwa die Washington Post-Reporter Bob Woodward, Carl Bernstein oder auch Chefredakteur Ben Bradlee (siehe auch Die Unbestechlichen, The Post) zur Verfügung, die Nixon-Administration kann auf Verschwörer wie Sonderberater Chuck Colson oder Howard Hunt, Drahtzieher des Watergate-Einbruchs, zählen. Bestimmte Karten zerren Informant*innen ans Licht (oder bringen diese zum Schweigen). Besonders mächtige Karten können den gesamten Rundenverlauf auf den Kopf stellen, fliegen dann aber aus dem Spiel.
Die Watergate-Affäre nachspielen – oder ungeschehen machen
Anschließend wird abgerechnet: Wer hat wie viele Geheimnisse gelüftet oder gehütet? Mit erhärteten Beweisen lassen sich auf dem Spielbrett, das wie eine Indizienwand gestaltet ist, Querverbindungen zwischen Whistleblowern und dem Präsidentenamt zu ziehen – Spielziel für die Journalist*innen ist es, eine lückenlose Linie zum Nixon-Porträt in der Brettmitte zu legen. Entsprechend versucht die Nixon-Partei zu verhindern, dass sich das Netz zu zieht, indem sie Indizienketten mit „geschwärzten“ Beweise unterbricht. Je länger und öfter das gelingt, desto besser für Verschwörer: Diverse Counter setzen die Enthüller*innen zeitlich unter Druck.
Die Geschichte kann also umgeschrieben werden, Nixon davonkommen. Der echte Ablauf wird übrigens recht ausführlich in der Spielanleitung beschrieben. Ebenso werden sämtliche Personen, die als Spielkarten den Lauf der Dinge ändern können, in den Kontext der Watergate-Affäre eingebettet. Ein schönes Angebot, sich vertiefend mit der Materie zu beschäftigen – welches man allerdings nicht annehmen muss, um mitzuspielen. Gleichwohl: Wer ein Spiel mit diesem Titel aus dem Regal greift, bringt wohl ein gewisses Grundinteresse mit. Ich persönlich habe mich über diese, wenn auch etwas spröde, Form der Geschichtsvermittlung sehr gefreut, als ich die Schachtel zum ersten Mal öffnete.
Watergate weckt investigative Gefühle
Schnell folgte Ernüchterung. Auf inhaltlicher Ebene habe ich nichts dagegen, wenn Präsentationen etwas trockener dargereicht werden. Wer meinen Filmgeschmack kennt, weiß, dass ich unaufgeregte Inszenierungen den effekthascherischen häufig vorziehe. Doch bei Gesellschaftsspielen neige ich dazu, diese nach ihrem Äußeren zu bewerten. Optisch wie haptisch ist Watergate unscheinbar. Ein Brett im Pinnwand-Look, ein paar Karten und Plättchen – das soll für ein fesselndes Spielerlebnis taugen? Eine traditionell umständlich geschriebene Spielanleitung tat schließlich ihr Übrigens: Flugs war das Spiel wieder im Schrank verstaut.
Bis ich mir anderthalb Jahre später doch noch einen Ruck gab. Was soll ich sagen? Never judge a game by it’s cover. Hinter der schnöden Aufmachung steckt eine schnelle, spannende Spielmechanik, die Planung, aber auch Improvisation verlangt. Die Kartenphase besitzt Duellcharakter, es geht nickelig zu. Immer wieder läuft man Gefahr, mit seinen Aktionen in folgeschwere Konter zu laufen. Beispielsweise beiße ich als Nixon in die Tischkante, wenn die Ereignis-Karte „Deep Throat“ Informant*innen ins Spiel zurückholt, die ich eben noch mit einem schönen Posten im Sicherheitsapparat ruhiggestellt habe. Umgekehrt freue ich mich diebisch, weil Nixons Wiederwahl 1972 überraschend dafür sorgt, dass sich alle Journalist*innen der Wahlberichterstattung unterordnen und eine Runde lang keine Zeit für aufwändige Recherchen aufbringen können (Ja, Ihr habt richtig gelesen: Der, der andauernd Journalistenfilme schaut und bespricht, spielt gerne schmutzig.)
So macht Watergate Laune. DIe Recherchen, die Ihr anstellt, sind zwar abstrakter Natur, dennoch schafft es das Spiel mithilfe des Settings und seiner kompetitiven Ader, investigative bzw. verschwörerische Gefühle zu wecken. Ein kleiner spielerischer Scoop!
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Wategate ist ein kompetitives Spiel für zwei Personen, das auf dem wohl berühmtesten Polit-Skandal basiert. Wenn Du Lust hast, Nixon das Handwerk zu legen (oder mit seinen Schweinereien davonkommen zu lassen): Über den folgenden Bild Affiliate-Link gelangst Du zu Amazon. Du zahlst keinen Penunze mehr, bei einem Kauf über diesen Link erhalte ich jedoch eine kleine Provision, die in den Betrieb von journalistenfilme.de fließt.
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