Weil ihn seine Kritiker übergehen, rächt sich der Shakespeare-Darsteller Edward Lionheart in Theater des Grauens schrecklich.
Weil ihn seine Kritiker übergehen, rächt sich der Shakespeare-Darsteller Edward Lionheart in Theater des Grauens schrecklich.
Von Patrick Torma. Bildmaterial: MGM
Theaterkritiker George Maxwell sah schon bessere Tage. Schlimm genug, dass der Redakteur vom Dienst mal wieder seine scharfsinnigsten Zeilen herausredigiert hat. Doch zerfleischt in seiner eigenen Gewerbe-Immobilie aufgefunden zu werden, das ist ein richtig fieser Show-Stopper. Die Kollegen sind schockiert – wer tut so was bloß? Auf Maxwells Beerdigung kommt es zu einem weiteren, verstörenden Vorfall: Hector Sniper, ebenfalls ein erlauchtes Mitglied des Londoner Kritiker-Zirkels, wird übel zugerichtet von einem Pferd angeschliffen. Die schreibende Zunft fragt sich: Macht da jemand gezielt Jagd auf uns?
Die Zurückweisung der Kritik wird zum tödlichen Bumerang
Unsereins ist klar: Hinter alldem steckt Horror-Ikone Vincent Price, der sich aus dem „Jenseits“ für die erlittene Zurückweisung der Kritik rächt. Rückblende, zwei Jahre zurück: Der verdiente Shakespeare-Darsteller Edward Lionheart rechnet felsenfest damit, von der Theatergilde für seine herausragenden Leistungen ausgezeichnet zu werden. Doch der Preis geht an einen Newcomer. Gedemütigt stürzt sich Lionheart vor den Augen der versammelten Jury in die Themse und wird fortan für tot gehalten.
Lionheart allerdings hat überlebt und sich seitdem auf seine Rache vorbereitet. In seinem Theater des Grauens nimmt er sich Kritiker für Kritiker vor. Nicht auf beliebige Art und Weise: Der Mime richtet seine Schmäher in Anlehnung an die Dramen William Shakespeares hin. Ein diabolischer Masterplan, mit dem Lionheart die ultimative Bestätigung sucht. Mit Peregrine Devlin (Ian Hendry), seinem schärfsten Kritiker, liefert er sich ein theatralisches Katz- und Maus-Spiel …
Plakative Presse: Das Kritikerfach als Sammelbecken der Verdorbenen
Theater des Grauens vereint Trash und Poesie. Allein die Prämisse: Man stelle sich eine Welt vor, in der Leonardo DiCaprio noch immer ohne Oscar auskäme und deshalb die Academy massakriert … Auch die „Medienkritik“ ist reichlich plakativ. Sämtliche Pressevertreter leiden unter maßloser Selbstüberschätzung, frönen der Dekadenz und nutzen ihre publizistische Macht aus. Diese Kritiker schreiben nicht für Ihre Leser*innen, sondern einzig und allein fürs Ego, ohne Rücksicht auf Verluste. Hauptsache, das geschriebene Wort spiegelt den geschliffenen Intellekt des Autors wider.
Böse Zungen behaupten ja gerne, im Kritikerfach tummeln sich die Gescheiterten, die Frustrierten, die es zu sonst nichts gebracht haben. Auch Vincent Price alias Edward Lionheart spricht seinen Kritikern die Urteilskraft ab. „Was weißt Du schon von Blut, Schweiß und Tränen einer Theaterproduktion?“, entgegnet er einem Rezensenten, der um sein Leben fleht. Am Ende wird Lionheart für seinen Massenmord bezahlen. Vorher aber lässt ihn der Film fröhlich gewähren. Und wir jubeln ihm dabei zu. Dass Lionheart diese skrupellosen Aasgeier rupft, haben sie sich im wahrsten Sinne des Wortes selbst zuzuschreiben. Keine Frage, von der moralischen Anlage her ist Theater des Grauens ein fragwürdiges Vergnügen. Eines, das funktioniert*.
*Anders als der grimmige Selbstjustiz-Thriller Paparazzi. Dort werden Fotografen zum Freiwild, die sich in besonders niederträchtiger Weise hervorgetan haben.
Schwarzhumoriges Vergnügen um jeden Price
Was daran liegt, dass sich der Film zu keiner Sekunde zu ernst nimmt. Alles ist heillos überzeichnet, die Kritiker, die mit ihrem Geschreibsel ihr eigenes Todesurteil formulieren, die hanebüchene Motivation des Killers, die äußerst kreativen und makabren Adaptionen der Shakespeare’schen Sterbeszenen. Getragen wird das Spektakel von einem unwiderstehlichen Vincent Price. Seitenweise zitiert er aus den Werken des britischen Dramatikers, schlüpft in immer neue Rollen, als ginge es wahrhaftig darum, verlorene Schauspieler-Ehre wieder herzustellen. Dazwischen lässt Price immer wieder den für ihn typischen Wahnsinn aufblitzen. Seine Spiellaune ist derart ansteckend, dass es eine wahre Freude ist, ihm dabei zuzusehen, wie er die Kulturbanausen dezimiert.
Shakespeare-Fan Vincent Price selbst zählte Theater des Grauens zu seinen Lieblingsfilmen, Nebendarstellerin Diana Rigg (Game of Thrones, Die große Muppet-Sause), die als Lionhearts Tochter Edwina zu sehen ist, bezeichnete den Film sogar als ihren besten. Neben großartigen Schauspielleistungen und vielen fantasievollen Einfällen bietet Theater des Grauens auch handwerkliche Schmankerl, darunter eine stimmige Kameraführung und expressionistisch anmutende Set-Designs. Auch das alte, industrielle London als Schauplatz ist sehenswert. Wer ein Herz für schwarzhumorigen Horror aufbringt, sollte dieser kleinen Genre-Perle unbedingt eine Chance geben.
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