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The Vast of the Night: Die Weite der Nacht (2019)

Ein Radiomoderator und eine Telefonistin lassen die Drähte glühen: Mysteriöse Funkgeräusche stören den Empfang in einer kleinen Stadt.

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Ein Radiomoderator und eine Telefonistin lassen die Drähte glühen: Mysteriöse Funkgeräusche stören den Empfang in einer kleinen Stadt.

Dennoch ist The Vast of the Night ein Hörgenuss. Konzeptionelles Vorbild ist ein Meilenstein der Rundfunkgeschichte. Auch die Watergate-Enthüller Bob Woodward und Carl Bernstein hinterlassen Spuren in dieser feinen Sci-Fi-Hommage.

Text: Patrick Torma. Bildmaterial: Amazon Studios.

Cayuga, New Mexico: Die Menschen in dem 500-Seelen-Örtchen fiebern dem Saisonauftakt des heimischen Basketballteams entgegen. Es ist ein Freitagabend im November 1958, die Dunkelheit hat das Nest bereits erfasst. Everett (Jake Horowitz) und Fay (Sierra McCormick) bereiten sich darauf vor, das große Spiel zu verpassen – beide müssen pünktlich zum Anpfiff arbeiten. Everett ist die Stimme des Lokalradios, Fay verbindet die Menschen als Telefonistin. Ihre Wege trennen sich, dennoch bleiben sie in Kontakt. Mysteriöse Funksignale stellen den Verlauf der bevorstehenden Nachtschicht auf den Kopf.

1950er-Jahre, eine einsame Nacht in einer Gegend, die für ihre UFO-Legenden berüchtigt ist: Das Setting von The Vast of the Night – Die Weite der Nacht könnte nicht klassischer sein. Dennoch hebt sich der Film wohltuend von der Masse ab. Anders als viele andere moderne Sci-Fi-Streifen verlässt sich The Vast of the Night nicht auf epochale Bilder. Regie-Debütant Andrew Patterson kehrt die goldene Regel des szenischen Erzählens kurzerhand um: Aus Show, don’t tell wird Tell, don’t show.

Everett (Jake Horowitz) und Fay (Sierra McCormick) gehen dem Geheimnis eines unbekannten Störsignals nach.
Everett (Jake Horowitz) und Fay (Sierra McCormick) gehen dem Geheimnis eines unbekannten Störsignals nach.

Tell, don’t show: Ein Spielfilm wird zum Hörspiel

Schon die Exposition ist ein 20-minütiger, wunderbar geschliffener Redeschwall, der viel über unsere beiden Hauptfiguren verrät: Zwei junge, intelligente Menschen, eingeklemmt zwischen der Geborgenheit der Provinz und der Sehnsucht nach der weiten Welt. Da sich die Kamera zu Beginn an die Fersen von Everett und Fay heftet, die auf dem Weg zur Arbeit allerhand Nebenaufgaben erledigen (technische Probleme lösen, Interview-Situationen üben), fällt der Bruch mit der Konvention allerdings noch nicht allzu sehr ins Auge.

Haben die beiden aber einmal ihren Arbeitsplatz eingenommen, kommen die Einstellungen zur Ruhe. Zwar gibt es später noch eine tolle, vierminütige One Shot-Sequenz zu bestaunen, aber: Spätestens wenn die geheimnisvollen Störgeräusche den Äther erreichen, wird The Vast of the Night zum Hörspiel mit Bildern. Zwischenzeitlich entsagt sich der Film seiner Visualität gar komplett. Das Bild wird schwarz und gibt dem gesprochenen Wort den Vortritt.

[Podcast-Tipp: Johanna und Thomas von SchönerDenken berichten von ihrem Seh- bzw. Hörerlebnis mit The Vast of the Night.]

Lauscher auf: The Vast of the Night ist ein wortreiches Vergnügen. Kein Wunder, bei dem berühmten Vorbild, an das sich der Film anschmiegt.
Lauscher auf: The Vast of the Night ist ein wortreiches Vergnügen. Kein Wunder, bei dem berühmten Vorbild, an das sich der Film anschmiegt.

Krieg der Welten, Twilight Zone und Die Unbestechlichen sind Vorbilder

Die Inszenierung ist natürlich eine Hommage an Orson Welles Radioadaption von H. G. Wells War of the Worlds, in der Abkürzung des Radiosenders WOTW hält der Film eine direkte Anspielung parat. Dieser Hörspiel-Klassiker kündete 1938 von der Ankunft kolonialistisch gesinnter Aliens, die Ausstrahlung soll – aufgrund des authentisch wirkenden Reportage-Stils – für eine Massenpanik gesorgt haben. So wurde es lange überliefert. Neue Untersuchungen gehen davon aus, dass Berichte über kollektive Angstreaktionen größtenteils von radiokritischen Printjournalisten ersonnen wurden.

Inhaltlich emanzipiert sich The Vast of the Night von seiner Inspirationsquelle. Der Film erzählt keine Invasions-Story, auch die Reportage-Situation spielt eine untergeordnete Rolle. Moderator Everett nutzt seine Sendung zwar, um Kontakt zu möglichen Informanten aufzunehmen, betreibt aber keine Live-Berichterstattung. Wie auch? Abgesehen von einem Audiosignal gibt es ja auch keinen Hinweis auf ein Ereignis, über das es sich zu berichten lohnt.

Fay ist eine hervorragende Telefonistin, allerdings hat die junge Frau größere Ambitionen. Diese zu verfolgen ist in den 1950er-Jahren nicht leicht.
Fay ist eine hervorragende Telefonistin, allerdings hat die junge Frau größere Ambitionen. Diese zu verfolgen ist in den 1950er-Jahren nicht leicht.

Keine Live-Schalte, das Paranormale dringt nicht an die Öffentlichkeit

Womit sich The Vast of the Night deutlich von einem Pontypool unterscheidet. Der Verbal-Horror-FIlm von 2008 mag sich aufgrund seines Hörspiel im Film-Konzepts für einen Vergleich anbieten. Tatsächlich haben wir es hier mit einer viel direkteren Wells-Adaption zu tun: Statt über eine Invasion der Alien berichtet der Moderator in Pontypool über den Beginn einer Zombie-Apokalypse.

In The Vast of the Night dringt das Paranormale nicht an die Öffentlichkeit, es wird im Intimen verhandelt. Vorbilder sind hier ganz klar klassische Mystery-Serien wie Twilight Zone oder auch Akte X. Eine weitere Anregung ist nicht ganz so offenkundig. Wer hätte gedacht, dass sich Regisseur Andrew Patterson von Die Unbestechlichen inspirieren ließ? Alan J. Pakulas Klassiker des Journalistenfilms beweise, so Paterson, dass man einen zweistündigen Film mit Telefonaten und Dialogen füllen und dennoch ein Rätsel lösen kann.

The Vast of the Night stellt zwischenzeitlich komplett die Visualität ein. Dabei gibt es auch optische Highlights, wie eine vierminütige One Shot-Sequenz im Mittelteil.
The Vast of the Night stellt zwischenzeitlich komplett die Visualität ein. Dabei gibt es auch optische Highlights, wie eine vierminütige One Shot-Sequenz im Mittelteil.

Stärke von The Vast of the Night sind die leisen Untertöne

Freilich kommt diese Lösung nicht überraschend – die Herkunft des Signals dürfte angesichts des Settings klarer sein als der Nachthimmel über den White Sands. Die Stärke des Films sind die leisen (Unter-)Töne. Unter anderem verhandelt The Vast of the Night ernste Themen wie Rassismus oder die Diskriminierung von Frauen. Letzteres wird versinnbildlicht in dem Dilemma der weiblichen Hauptfigur, die insgeheim journalistische Ambitionen verfolgt, sich allerdings auf ein berufliches Dauerdasein als Telefonistin einrichtet, so wie es die Rollenbilder einer patriarchalischen Gesellschaft vorsehen.

Fazt: The Vast of the Night ist ein a-typischer, klug gemachter Science-Fiction-Film, der sich vor seinen Einflüssen verneigt und in seinen Dialogen eine Menge zur Sprache bringt. Das Radio-Setting ist primär ein erzählerisches Sprungbrett – aus journalistischer Perspektive passiert hier nicht allzu viel. Der Film ist exklusiv bei Amazon Prime Video verfügbar.

3.0
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