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The Ape Man (1943): Affentheater im Blätterwald

Bela Lugosi markiert den wilden Affen, ein schmieriger Reporter steht ihm in nichts nach. The Ape Man ist ein richtiger Heuler.

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Bela Lugosi markiert den wilden Affen, ein schmieriger Reporter steht ihm in nichts nach. The Ape Man ist ein richtiger Heuler.

Text: Patrick Torma.

Es rauscht im Blätterwald: Der exzentrische Wissenschaftler James Brewster (Lugosi) ist spurlos von der Bildfläche verschwunden. Jeff Carter (Wallace Ford, spielte eine wichtige Rolle in Tod Brownings großartigem Horror-Drama Freaks) von der Globe Tribune erhält von einem mysteriösen Whistleblower den Tipp, Brewsters Schwester Agatha zu befragen. Die ist nämlich Geisterjägerin und kehrt soeben aus Europa – wenn das mal keine heiße Story verspricht. Carter passt das Medium am Pier ab, doch Lady Brewster gibt sich zugeknöpft. Sie müsse sich erst ein Bild vom Verschwinden ihres Bruders verschaffen. Ein Interview könne man auch noch in den kommenden Tagen führen, auf dem Anwesen der Familie.

Es ist eine äußerst birnige Einladung. Denn: Natürlich ist James Brewster nicht fort. Sondern „nur“ unpässlich. Der verrückte Professor hat in seinem Labor einmal zu oft an Menschenaffen herumgedoktert. Nun haust er selbst im Affenkäfig. Doch weil humane Rückenmarkflüssigkeit einen verzögernden Effekt auf seine Verwandlung zu haben scheint, zieht Brewster mit einem Versuchsgorilla durch die Gassen, um geeignete „Spender“ zu akquirieren.

Geisterflüsterin Agatha lässt sich derweil von Carter und seiner Fotografin Billie Mason (Louise Currie) zu einer vorgezogenen Homestory belatschern. Zurück in der Redaktion entdecken die beiden Spürnasen auf einer frisch entwickelten Aufnahme eine affenähnliche Gestalt. Grund genug, die Recherchen im Hause Brewster zu intensivieren.

Bela Lugosis Affentheater: Die Legende nähert sich ihrem Nullpunkt

Auweia. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, der Versuchung affiger Wortspiele zu widerstehen. Aber The Ape Man ist nun mal ein heruntergekurbeltes Affentheater. Typisch für die Fließbandware dieser Ära, spielt sich der Film aus Kostengründen an maximal zwei Orten ab, es wird viel Buhei gemacht um ein paar lausige chills and creeps. Ein von seiner Drogensucht gezeichneter Bela Lugosi humpelt und grummelt seinem schauspielerischen Nullpunkt entgegen. Noch liegt die Ed Wood-Phase vor ihm. Dennoch ist es bemitleidenswert, wie der einst so stolze Dracula-Darsteller von einem Typen im Gorilla-Kostüm niedergewürgt wird. Mit seinem finalen Atemzug haucht Lugosi einen Großteil seiner verbliebenen Würde aus.

Würdelos ist auch das Stichwort, wenn es um den journalistische Plot in diesem Streifen geht. Dass sich Lugosi mal wieder mit der Presse herumschlagen muss, gehört wohl zur Jobbeschreibung eines wahnsinnigen B-Movie-Docs. Bereits in The Devil Bat liefert sich der Schauspieler ein höfliches Katz-und-Maus-Spiel mit dem Tabloid-Reporter Johnny Layton. Zwar ist der Streifen – einer übergroßen Gummi-Fledermaus sei Dank – nicht minder käsig. Doch im Gegensatz zu The Ape Man lebt der Schinken von der vornehmen Aura seines alternden Stars. Als hätte er es mit seinem ehrwürdigen Erzfeind Dr. van Helsing zu tun, bittet er den Reporter geradezu zum Schlagabtausch. In The Ape Man ist die Horror-Legende ihres aristokratischen Auftretens beraubt. Mit einer Affenmaske im Gesicht lässt es sich nun mal schwer kokettieren. Und selbst wenn: Sein Gegenspieler wäre kein würdiger Sparringspartner. Jeff Carter ist ein Maulheld sondergleichen, sein Charakter so halbseiden wie die Geschichten, denen er nachspürt.

Reporter Jeff Carter (Wallace Ford) ist ein ziemlich aufgeblasener Fatzke, ja der eigentliche Affe in diesem Theater.

Wie? Eine Frau im Redaktionsbetrieb? Das geht?

Carters Faustpfand ist sein Sendungsbewusstsein. Der Reporter bekommt, was er will. Zugegeben, manchmal erst im Nachgang. Dass ihm Agatha Brewster zu Beginn das Interview verwehrt, hat primär dramaturgische Gründe. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Gegen ein schnelles Foto an Ort und Stelle vermag die Parapsychologin jedoch nichts einzuwenden. Wie auch? Sie wird vom dreisten Journalisten geradezu überfahren. Weil die fertigen Aufnahmen unscharf sind – offensichtlich handelt es sich nicht um einen technischen Fehler, sondern um einen Fall von Geisterfotografie, auf den der Film nie wieder zu sprechen kommt –, wird Carters Stammfotograf Barney von der Redaktionsleitung ausgewechselt. Er bekommt mit Billie Mason eine Kollegin zur Seite gestellt.

Der Film inszeniert Masons weibliche Identität als Überraschung. Wer hätte gedacht, dass im Reaktionsbetrieb auch Journalistinnen beschäftigt sind?* Jeff Carter jedenfalls scheint weibliche Unterstützung ungewohnt und setzt zum Tiefschlag an: Er stellt Masons Eignung als Fotografin infrage. Immerhin ist das Drehbuch Manns genug, Mason eine Dosis Schlagfertigkeit einzuimpfen. Carter möge ruhig markige Worte spucken, zu Hause habe sie sich gegen vier Brüder durchgesetzt. „Very cocky“, ziemlich großspurig, findet Carter das Verhalten seiner Kollegin, lässt es aber für den Moment gut sein. Irgendwer muss ja die Fotos machen.

* Dass der frühe Journalistenfilm, aber auch US-Redaktionen, gerade zu Zeiten des Zweiten Weltkrieges, weiblich(er) geprägt waren, dazu mehr in unserem Beitrag zum Rollentypus der Sob sister)

Fotografin Mason ohne berufliche Eigenständigkeit

Das Wörtchen „muss“ trifft das Arbeitsverhältnis zwischen den beiden auf den Punkt. Billie Mason besitzt keinerlei berufliche Eigenständigkeit, sie ist lediglich eine Erfüllungsgehilfin, die Carters Anweisungen und Motivwünsche umsetzen soll. Masons Subordination liegt sicher auch in der Geisteshaltung des Films begründet, in der Frauen fürs Auge, Männer für die Tat zuständig sind. Beispielsweise fällt auf, dass es ausgerechnet Carter ist, der Lugosis Affenvisage auf den Aufnahmen entdeckt, obwohl Mason die Bilder lang und breit in der Dunkelkammer entwickelt. Dass einer Fotografin ein solches Detail entgeht, dieses „Versäumnis“ lässt sich nur mit männlicher Hybris erklären. Gleichwohl gibt es ein grundsätzliches Gefälle zwischen Reportern und Fotografen: Auch Masons Vorgänger Barney ist Carter eindeutig unterstellt. Filmisch betrachtet, markiert diese Hierarchie eine Trennung zwischen Haupt- und Nebenfigur: Der Reporter ist der Held, der Fotograf der Sidekick. Ähnliche Konstellationen lassen sich im eben erwähnten Lugosi-Flick The Devil Bat oder aber auch im Filmklassiker Ein Herz oder eine Krone beobachten.

Gleichzeitig sagt diese Rollenaufteilung etwas über das (damalige) Ansehen beider Professionen aus. Fotograf*innen, so scheint es, können in diesem Kosmos nur in Abhängigkeit von Reporter*innen existieren. Bis heute ist es nicht unüblich, dass Fotograf*innen erst „nachgelagert“ ins Spiel kommen, wenn es eine konkrete Story zu bebildern gibt. Und dass Schreibende Motiv-Ideen äußern, ist in gesunden Arbeitsbeziehungen nicht nur erlaubt, sondern ausdrücklich erwünscht. Schließlich haben sie die Dramaturgie ihrer Texte im Blick. Die anstandslose Unterwürfigkeit der Fotograf*innen im Film, hierarchisch wie künstlerisch, wirkt allerdings befremdlich. Jedenfalls ergeht es mir so. Vielleicht, weil ich ohnehin ein Fan kollaborativer Arbeitsformen bin und die Fotograf*innen, mit denen ich zusammenarbeite, Charakterköpfe mit klaren Vorstellungen sind. Aber auch, weil ständige Fotobegleitung ein redaktioneller Luxus ist.

“Wer hat die Kokosnuss geklaut, Lugosi?” Der einst so stolze Dracula-Darsteller ist in The Ape Man nicht schnell genug auf den Bäumen. Schockiert rechts im Bild: Fotografin Billie Mason (Louise Currie).

The Ape Man zeigt eine redaktionelle Luxussituation

Abgesehen von festen Kooperationen oder Genres wie der Reportage, die Fotograf*innen und Journalist*innen (sofern diese Unterscheidung im handwerklichen Sinne zutrifft) für einen bestimmten Zeitraum zusammenbringen: Der journalistische Alltag in der klassischen News-Berichterstattung ist durchgetaktet, schreibende und fotografierende Kolleg*innen können es sich kaum erlauben, im Gespann loszuziehen. Feste Zuordnungen sind selten, nicht zuletzt aus dem einfachen Grund, dass es immer weniger festangestellte Pressefotograf*innen gibt. Häufig sind es freie Kolleg*innen, die den lieben langen Tag von Termin zu Termin jetten, um Medien und Agenturen mit aktuellem Bildmaterial zu beliefern.

Demgegenüber steht eine gesteigerte Bedeutung der Fotografie: In der Entstehungszeit von The Ape Man mögen Leser*innen über Bleiwüsten hinweggesehen haben, heute sind Bilder zentrale Elemente der Berichterstattung. Sie bürgen für die Glaubwürdigkeit und sind, im Zeitalter der Visualität mehr denn je, ein entscheidendes Kriterium für den Erfolg. Wobei die allgemeine Bewunderung für schöne, aussagekräftige Fotos wiederum im Kontrast zur allgemeinen Wertschätzung des Berufsbilds steht. Verlage und Redaktionen sparen an dieser Stelle gerne, die digitale Fotografie hat eine Armada von Hobby-Fotograf*innen hervorgebracht – und damit die Laienmeinung gefestigt, heutzutage könne jeder mit einer halbwegs guten Kamera in Schlepptau den Profis das Wasser reichen.

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Selten war ein journalistischer Plot überflüssiger

Aber ich schramme am Film vorbei. Letztlich fällt mir nicht mehr viel zu The Ape Man und seiner vergessenswürdigen journalistischen Hauptfigur ein. Reporter Carter gibt jede Menge heiße frauenverachtende Luft von sich, zur eigentlichen Auflösung des Falls trägt das Möchtegern-Alphamännchen herzlich wenig bei. Zwar kommen Billie Mason und er dem Geheimnis der Brewsters früh auf die Schliche, doch im Grunde genommen bräuchte es die Journalisten-Plotte nicht. Lugosis Chaos-Tour ruft nämlich schon bald die Polizei auf den Plan, die ihrerseits Ermittlungen aufnimmt und letztlich auch erfolgreich abschließt.

Aber weil das Drehbuch unsere Zeitungsschlawiner nun einmal losgelassen hat, werden sie bis zum bitteren Ende durchgeschleppt. Mason-Darstellerin Louise Currie darf im Finale endlich in die Rolle schlüpfen, die ihr schon die ganze Zeit über zugedacht war: die der damsel in distress. Carter schickt sich an, den Helden zu mimen, mag aber nicht so recht zwischen die Fronten zweier haariger Primaten geraten. Gut, dass bald schon die Beamten für die Drecksarbeit eintreffen. Klappe zu, Affe(n) tot. Na ja, fast. „I want you over my knee and paddle you good“, flötet Silberrücken Carter „seiner“ Bille Mason ins Ohr. Was für ein affiges Happy End.

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