HomeAllgemein

Vergleich Buch vs. Film: Tausend Zeilen (Lüge)

Aus „Tausend Zeilen Lüge“ werden „Tausend Zeilen“. Was ist Wahrheit, was Fiktion? Wir legen Buch und Kinofilm nebeneinander.

Von Automagazinen und Autismus: Skrupellos – Im Netz der Macht (2018)
Spekulative See: Tod einer Kadettin (2017)
Menschenjagd als Unterhaltung: Das Millionenspiel (1970)

Aus „Tausend Zeilen Lüge“ werden „Tausend Zeilen“. Was ist Wahrheit, was Fiktion? Wir legen Buch und Kinofilm nebeneinander.

Text: Patrick Torma. Bildmaterial: UFA/Warner Germany.

Für die einen unterhaltsames Plädoyer für den Journalismus, für die anderen simple Hochstapler-Komödie ohne Tiefenschärfe. Michael „Bully“ Herbigs Tausend Zeilen spaltet. Ich persönlich tendiere zu Team „meh“. Was nicht heißen soll, dass ich dem Film rein gar nichts abgewinnen kann – über die Stärken und Schwächen von Tausend Zeilen sprechen Kai Remen und ich in Episode 37 von journalistenfilme.de – der Podcast ganz ausführlich.

Angerissen haben wir in diesem Gespräch bewusst die Frage: Wie nah ist Michael Herbig an der Vorlage des Journalisten Juan Moreno geblieben? Dies zu erörtern, hätte uns wahrscheinlich in den einen oder anderen Kaninchenbau geführt. Für solche Abbiegungen bietet sich ja der Blog an. Hier ist er: der Vergleich zwischen Film und Buch.

Wovon handelt „Tausend Zeilen Lüge“?

In dem Buch beschreibt der Journalist Juan Moreno, wie es ihm als freier Mitarbeiter des SPIEGEL gelang, Reporter-Shootingstar Claas Relotius als notorischen Fälscher zu entlarven.

Relotius gilt in der Gesellschaftsredaktion des renommierten Nachrichtenmagazins als Versprechen für die Zukunft, als Moreno und er von der Ressortleitung auf eine gemeinsame Geschichte angesetzt werden. In einer Reportage, die später unter der Überschrift „Jaegers Grenze“ im SPIEGEL erscheint, beleuchten die beiden Männer die zwei Seiten illegaler Einwanderung entlang der US-amerikanischen-mexikanischen Grenze.

Recherche-Krimi und Bestandsaufnahme: Die Vorlage von Juan Moreno

Während Moreno die Reise einer jungen Mexikanerin im Flüchtlingstreck begleitet, gibt Relotius vor, sich mit einer US-Bürgermiliz auf die Lauer zu legen, die Ankömmlinge buchstäblich ins Visier nimmt. Moreno kommen ob der vielen Ungereimtheiten und schier unglaublichen Schilderungen seines Co-Autors Zweifel. Sie sind berechtigt: Nichts von dem, was Relotius aufschreibt, stimmt. Kein Einzelfall, wie sich später herausstellt: Viele der rund 120 Texte, die er für den SPIEGEL, aber auch für andere Medien verfasste, waren auf fantasievolle Weise entstanden. 

Moreno schildert in seinem Buch auch, wie er um seine eigene Integrität als Journalist und damit um seine berufliche Existenz kämpfte: Denn die verantwortlichen Redakteure des SPIEGEL sahen lange – trotz eines immer dichter werdenden Netzes aus Indizien, später Beweisen – keine Veranlassung, ihrem jungen Star-Schreiber Relotius das Vertrauen zu entziehen. Stattdessen witterten sie die Missgunst eines neidischen „Freien“.

Was steht sonst in dem Buch?

Tausend Zeilen Lüge ist ein realer Recherche-Krimi – einen Schwerpunkt nimmt die Dekonstruktion der Relotius’schen Fake-Reportagen ein. Gleichzeitig erörtert Moreno die Umstände, die im Journalismus im Allgemeinen, beim SPIEGEL im Besonderen, dazu beitrugen, dass das „System Relotius“ (wie es im Untertitel des Buches heißt) gedeihen konnte. Es geht um blinde Flecken in der Dokumentation, Anspruchsdenken und Sehnsüchte innerhalb einer kriselnden Branche, um persönliche Eitelkeiten.

Dabei versucht Moreno „allen Seiten gerecht zu werden“, nicht nur auszuteilen, sondern auch Verständnis für seine Vorgesetzten und auch Relotius aufzubringen. Er selbst schreibt: „Dieses Buch ist keine Abrechnung. Nicht mit dem SPIEGEL. Nicht mit meinen damaligen Chefs. Und nicht mal mit Claas Relotius. Auf der anderen Seite ist es auch keine Auftragsarbeit. Der SPIEGEL wird es nicht mögen. Das kann ich versprechen“.

Nicht zuletzt ist Tausend Zeilen Lüge ein sehr persönliches Buch: Moreno reflektiert immer wieder sein eigenes Handeln, in einer Phase seines Lebens, die ihn an den Rand des Aufgebens führt. 

Der Fotograf Milo (Michael Ostrowski, rechts), Juan Romeros Recherche-Buddy, ist eine Kompositfigur, die zwei reale Vorbilder vereint.

Wie nah bewegen sich die Filmfiguren an der Realität des Buches?

Viele Figuren, die in Tausend Zeilen zu sehen sind, finden ihre Entsprechung im Buch. Die Protagonisten sowieso: Aus Juan Moreno wird Juan Romero (Elias M’Barek), aus Claas Relotius Lars Bogenius (Jonas Nay).

In dem Buch benennt Moreno klar, welche Fehler seine ehemaligen Vorgesetzten Mattias Geyer und Ullrich Fichtner, seinerzeit für die Gesellschaftsredaktion des SPIEGEL verantwortlich, aus seiner Sicht begingen, indem sie Relotius protegierten, bis dieser schließlich nicht mehr zu halten war. Sowohl Geyer als auch Fichtner standen kurz vor einer Beförderung in dem prestigeträchtigen Nachrichtenhaus, hatten Relotius als einen ihrer Nachfolger auserkoren. Moreno begegnet seinen damaligen Chefs mit Respekt, ordnet ihre Reaktionen ein. Er betont mehrmals, dass er nicht wisse, wie es ihm ergangen wäre, hätte er die Causa an ihrer Stelle bewerten müssen.

Schablonen und Kompositfiguren

In „Bully“ Herbigs Film sind Romeros Vorgesetzte nicht mehr als die Schablonen geltungssüchtiger Verlagsemporkömmlinge. Aus Matthias Geyer wird Rainer M. Habicht (Michael Maertens; ob die Drehbuchautoren sich insgeheim geärgert haben, dass Geyers sprechender Name für ihre Satire zu wahr ist?), aus Ullrich Fichtner Christian Eichner (Jörg Hartmann). Hinter Romeros Vertrauensperson Yasmin Saleem (Sara Fazilat) verbirgt sich die damalige stellvertretende Leiterin des Gesellschaftsressorts, Özlem Gezer.

Fotograf Milo (Michael Ostrowski), der Romero gleich zu Beginn in der Exposition in Mexiko begleitet, ihn später in Deutschland bei den Recherchen unterstützt und schließlich auch mit in die USA reist, ist eine Kompositfigur. Sie vereint zwei reale Vorbilder. Zum einen war es der US-Fotograf Scott Dalton, mit dem Moreno in Mexiko zusammenarbeitete. Dalton war es auch, der Moreno unter anderem auf einen Dokumentarfilm hinwies, der inhaltliche und personelle Parallelen zu Relotius Grenz-Reportage enthielt – und damit erste Zweifel an der Echtheit nährte. Zurück in der Heimat erhielt Moreno zum anderen tatkräftige Unterstützung von einem befreundeten Fotografen namens Mirco Taliercio. Dieses Duo flog schließlich auch in die Staaten, um Relotius’ Lügen vor Ort zu entlarven.

Wie wird Relotius im Buch dargestellt?

Im Film schlürft Bogenius Cocktails am Strand, während er seine Geschichten zurecht spinnt. Im Buch charakterisiert Moreno Claas Relotius als einen akribischen, fast schon genialen Fälscher, der seine „Kunst“ über Jahre – von der Journalistenschule weg – perfektioniert habe.

„Ich stelle ihn mir in dieser Zeit wie einen Solokletterer vor“ schreibt er in Tausend Zeilen Lüge. Wie es ihm über Jahre hinweg – kritische Nachfragen, etwa von kenntnisreichen Lesern, erreichten ihn schon lange vor „Jaegers Grenze“ – gelang, seine Unwahrheiten so umzudrehen, dass sie für alle plausibel erschienen, ringt Moreno sogar einen gewissen Respekt ab.

Die Perspektive von Relotius’ lässt Michael Herbig kalt

Gleichzeitig zeichnet er ein berechnendes Porträt von Relotius – an dieser Stelle deckt sich die Darstellung mit der des Films. Zumindest wenn man davon absieht, dass man auf der Schleimspur des Relotius-Wiedergängers Bogenius geradezu ausrutscht. Der echte Relotius, schreibt Moreno, sei auch deswegen so erfolgreich gewesen, weil er so bescheiden und verständnisvoll auftrat.

Eine Darstellung, der Relotius in einem viel diskutierten Interview mit dem Magazin REPORTAGEN widersprach (inzwischen hinter einer Bezahlschranke, kostenloses Abo ohne automatische Verlängerung möglich): An seinen Fälschungen sei nichts Berechnendes, sie seien vielmehr krankheitsindiziert gewesen. Relotius Sicht auf die Dinge spielte für das Bild, das Regisseur Michael Herbig von dem Fall zeichnet, keine Rolle. Er habe die Geschichte nicht verwässern wollen, verriet Herbig im Interview mit dem SPIEGEL.

Marie Burchard spielt Juan Romeros Ehefrau Anne – und ist im Film eine Foodbloggerin. Eine berufliche Kluft, die für Verstimmungen sorgt. Die Gattin Juan Morenos hingegen ist ebenfalls Journalistin.

Die typisch-deutsche Familien-Story in „Tausend Zeilen“ ist doch eine Erfindung des Films, oder?

Der Film ist auch die Geschichte eines Family Man, dessen Leben aus den Fugen gerät. Immer wieder sehen wir Romero-Darsteller M’Barek im Kreise seiner Lieben: Mit Ehefrau Anne (Marie Burchard) und den vier zuckersüßen Film-Töchtern weiß er eine Bilderbuchfamilie um sich, selbst die längsten Recherchereisen werden ihm freudestrahlend verziehen. Eine heile Welt, wie gemacht für die Wolken, die sich schon bald abzeichnen – Herbig legt es auf diese Kitschmomente an.

Das persönliche Drama ist nicht aus der Luft gegriffen. Moreno habe zwar niemals seine jüngste Tochter im Bus vergessen, wie SPIEGEL-Chefredakteur Steffen Klusmann in dem bereits erwähnten Interview berichtet. Allerdings lässt Moreno sowohl in dem Buch als auch bei öffentlichen Auftritten immer wieder durchblicken, dass die Wochen der Ungewissheit im Jahre 2018 auf sein Privatleben abfärbten.  „In den nächsten Tagen und Wochen bekamen meine Frau, meine vier Kinder, einschließlich der Dreijährigen, die sich einfach nur wie eine Dreijährige benahm, meine ganze Wut ab“, gesteht er in Tausend Zeilen Lüge.

Allerdings: Eine berufliche Kluft, wie sie im Film zu zusätzlichen Spannungen führt, belastete das Hause Moreno nicht. Im Film baut sich Ehefrau Anne eine Existenz als Foodbloggerin auf, eine vermeintlich leichtfüßige Tätigkeit, die im krassen Kontrast zum handfesten Journalismus steht (und obendrein noch monetär einträglicher erscheint). Morenos Frau hingegen ist ebenfalls Journalistin. Sie unterstützte ihren Mann bei den Recherchen, indem sie weitere Texte von Relotius auf Fehler hin untersuchte.

Hör-Tipp: Für wen ist Tausend Zeilen eigentlich gemacht? In journalistenfilme.de – der Podcast rede ich mit meinem Gast Kai Remen über die fehlenden Tiefenschärfe des Films. Hier geht es zur Folge #37!

Wie akkurat zeichnet „Tausend Zeilen“ Morenos Recherchen nach?

Die Recherchen, die zur Entlarvung Relotius’ im Fall von „Jaegers Grenze“ führen, gibt der Film sowohl im Aufbau als auch in der Chronologie recht genau und in sich schlüssig wieder. Manches ist verdichtet, mancher Recherche-Nebenschauplatz wird ausgelassen: Darunter etwa die Tatsache, dass es eine US-Journalistin gab, die parallel gegen den SPIEGEL ermittelte, aber private Prioritäten setze: Wer weiß, was passiert wäre, wäre sie in diesen Tagen nicht mit der Organisation ihrer eigenen Hochzeit beschäftigt gewesen … womöglich wäre der Relotius-Skandal von außen aufgedeckt worden.

Ansonsten: Allzu drastische Überhöhungen in der Darstellung der Recherchen fallen nicht ins Auge. Die braucht es auch nicht. Dafür ist die reale Geschichte unfassbar genug.

Lars Bogenius (Jonas Nay) schreibt seine Texte bevorzugt an sonnigen Hotspots. Der Film porträtiert den Relotius-Wiedergänger als lässigen Fälscher.

Wie nah kommt der Film dem Buch darüber hinaus?

Der Film strotzt vor Details, die ihre Entsprechung im Buch finden. Viele Dialogzeilen etwa, die im Kontext des Films wie dreiste Satire anmuten, sind der Vorlage entlehnt. Ein Beispiel ist die Dankesrede von Bogenius, der – wie Relotius – für seine Fake-Reportage „Königskinder“ mit dem deutschen Pressepreis ausgezeichnet wird. Während Romero/Moreno – durch die staubigen Staaten hetzt, um seine Journalisten-Ehre zu retten. 

„Ich wollte eigentlich nicht über mich sprechen, sondern über den Text. Der Junge, über den ich schrieb, der junge Mann, er ist noch immer in dieser Stadt, die seit Wochen bombardiert wird, aber wir haben seit dem Drucktermin nichts mehr von ihm gehört. Deshalb fällt es so schwer, darüber zu reden“, reüssiert Bogenius – und kommt damit der Wahrheit ziemlich nah.

Gibt das Quellmaterial den komödiantischen Charakter des Films her?

„Ich war in erster Linie Kolumnist gewesen, schreibender Komiker, der sich meistens selbst auf den Arm nahm. Im SPIEGEL wurde – und wird – ganz grundsätzlich eher wenig gelacht“, schreibt Juan Moreno über sich. In Tausend Zeilen Lüge findet der Autor immer wieder Sprachbilder, die einen beißenden Humor erkennen lassen. Allerdings ist sein Bericht kein Gag-Feuerwerk. Eher bleibt einem das Lachen im Halse stecken.

Interessant aber: Einige Gags aus Herbigs Film, die man zunächst dem Drehbuch zuschreiben würde, stammen aus dem Quellmaterial. Dazu gehört eine der rasantesten Szenen des Films. In einer der vielen Hinwendungen zum Publikum schildert Romero, dass er sich wie ein Taxifahrer fühle, der von einem Bankräuber zu einem unfreiwilligen Fluchtwagenfahrer gemacht werde. Nur um in einer Art Tagtraum-Sequenz mit quietschenden Reifen davonzufahren.

Viele Gags aus dem Film entspringen der Buchvorlage

„Endstation Taxi“ – das ist eine akademische Horrorvorstellung bzw. das Klischee einer solchen. In einer späteren Szene wird Moreno tatsächlich zum Taxifahrer „degradiert“, ausgerechnet im Foyer seines Arbeitgebers. Auch dieser „Gag“ ist keine Erfindung der Filmautoren. „Mich, Juan Moreno, einen freien Autor, jemand, der seit über zehn Jahren für den Spiegel schreibt und zuletzt an der SPIEGEL-Pforte gefragt wurde, ob er der Taxifahrer sei“, heißt es in Tausend Zeilen Lüge.

Eine weiteres – und letztes – Beispiel: Die screwball-artige, betont bissige Begrüßung zwischen Romero und Yasmin Saleem „so von Kanake zu Kanake“ ist nicht herbeigezogen, sondern soll Usus gewesen sein, zwischen Juan Moreno und der stellvertretenden Ressortleiterin Özlem Gezer. Morenos Eltern stammen aus Spanien, die von Gezer aus der Türkei. „So absurd das klingen mag, in der Redaktion verbindet uns das“, schreibt Moreno, und deutet damit einen latenten Alltagsrassismus an. Denn wann immer es Themen aus südlichen Gefilden auf den Redaktionsplan schafften, habe es automatisch geheißen: „Der Moreno kann das.“   

Juan Morenos Buch ist eine scharfsinnige, empathische Analyse des Skandals. Der Film mit Elias M'Barek in der Hauptrolle des "Juan Romero" will eine solche gar nicht leisten.
Juan Morenos Buch ist eine scharfsinnige, empathische Analyse des Skandals. Der Film mit Elias M’Barek in der Hauptrolle des “Juan Romero” will eine solche gar nicht leisten.

Welche Themen lässt „Tausend Zeilen“ aus? 

Michael Herbig will vor allem eines: eine gute Geschichte erzählen. Hierfür konzentriert er sich darauf, das zwischenmenschliche Drama, dass sich aus der Vorlage herauslesen lässt, zu verdichten. Bogenius gegen Romero, Romero gegen die Redaktion, Arbeits- vs. Familienleben, um nur die gröbsten Konfliktlinien zu nennen. Ausgeblendet werden Zwischentöne, aber auch Grundsatzfragen zur systemischen Dimension des Skandals. Das „System Relotius“, das Moreno immerhin im Untertitel seines Buches unmittelbar adressiert, wird in Tausend Zeilen allerhöchstens angedeutet.

So geht der Film zwar auf die strukturellen Probleme ein, die den Journalismus beschäftigen. Warum Relotius lange jedoch die Lösung für diese Probleme zu sein schien, diese Frage unterschlägt Tausend Zeilen. Relotius hat sowohl Redakteure als auch Leser in ihrer Unvollkommenheit erkannt – wie, das erklärt Moreno sehr ausführlich. Im Film wendet sich Bogenius, als es keine Rettung mehr für ihn gibt, ans Publikum, um es in einer letzten, verzweifelten Erklärung in Sippenhaft zu nehmen. Da die medialen Wirkmechanismen zuvor weitgehend unbeleuchtet geblieben sind, läuft diese plötzliche Einlassung ins Leere.

“Tausend Zeilen” bedient medienfeindliche Narrative

Auch die Redaktionsverhältnisse werden in dem Film nur so weit etabliert, wie es für das Verständnis nötig ist. Dass die schablonenhafte Darstellung der Ressort- und Redaktionsleitung problematisch ist, wurde ja bereits angedeutet. Denn die Frage ist: Was bleibt von einer derart verkürzten Gegenüberstellung hängen? Die Redaktionsverantwortlichen als per se gierige, eitle und auch unfähige Charaktere zu zeigen, bedient medienfeindliche Narrative. Eine Tragweite, derer sich Moreno schon beim Schreiben seines Buches bewusst war: „Die Leichtigkeit, mit der ich früher Lügenpresse-Krakeeler belächelt habe, ist dahin.“

Umso wichtiger sind Differenzierungen. Morenos Buch ist eine sehr scharfsinnige und empathische Analyse, die aufzeigt, welche Mechanismen im Journalismus besonders anfällig für die dreisten Fälschungen Relotius’ waren. Manches ist schockierend. Manches nur verständlich. Oder zumindest menschlich. Das alles kann und will der Film nicht leisten. Er interessiert sich für letztlich nur fürs Vordergründige. Für den Skandal sowie für den Scoop hinter dem Skandal, ganz im Sinne der Unterhaltung.

COMMENTS

WORDPRESS: 3
DISQUS: 0