Endzeitstimmung beim Daily Planet: In Superman IV gibt ein windiger Unternehmer den Takt von Metropolis wichtigster Zeitung vor.
Endzeitstimmung beim Daily Planet: In Superman IV gibt ein windiger Unternehmer den Takt von Metropolis wichtigster Zeitung vor.
Darin verbirgt sich fast schon eine ernstzunehmende Medienkritik. Aber auch nur fast. Superman IV ist vor allem ein Trash-Fest. Perfekte Voraussetzung für eine Besprechung.
Text: Patrick Torma. Bildmaterial: Warner.
Der Sprung von Superman III zu Superman IV fühlt sich an wie ein abrupter Klimawechsel. Eben noch war das Kaffee-Monopol unsere größte Sorge, jetzt geht es um nichts weniger als um den Fortbestand unserer Erde. Gemäß Untertitel steht im vierten Teil der Reihe Die Welt am Abgrund. Zeitlich gesehen gar nicht mal so abwegig, wie der erste, schnelle Blick vermuten lässt. Die Superman-Filme ab 1978 fielen in die letzte hitzige Phase des Kalten Krieges, in der das Wettrüsten zwischen den USA und der Sowjetunion noch mal an Fahrt gewann.
Allerdings: Als Superman IV im März 1988 durch die deutschen Kinos flog, sah die politische Großwetterlage schon wieder freundlicher aus. Ende 1987 hatten die beiden Supermächte USA und UdSSR mit dem INF-Vertrag eine erste weitreichende Abrüstungsvereinbarung getroffen. Als das Drehbuch entstand, war die Furcht vor einem nuklearen Krieg noch präsenter, zumal der GAU in Tschernobyl 1986 die zerstörerische Macht des Atoms demonstriert hatte. Aber kümmern wir uns nicht weiter um den zeitlichen Kontext: Dass der Film mit seiner löblichen Botschaft – im Original trägt er den positivistischen Untertitel The Quest for Peace – von der Geschichte überholt wurde, ist noch das kleinste Problem von Superman IV.
Der Daily Planet am Ende: Seit
drei Jahren in den roten Zahlen!
Superman III hatte sich als Flop erwiesen. In der Folge strich die finanziell schwer angeschlagene Produktionsschmiede Cannon das Budget für den Nachfolger um fast 20 Millionen US-Dollar zusammen – von 36 auf 17 Millionen US-Dollar. Die massiven Kürzungen sieht man Superman IV in jeder Sekunde an, der Film gilt unter Fans als schlechtester Teil der Reihe. Ich persönlich kann mit Supermans Bruchlandung mehr anfangen als mit dem Vorgänger. Nicht zuletzt, weil die Presse endlich wieder eine prominente Rolle spielt. Und was für eine: Herrschte in Superman III völlige Dürre, ist Superman IV ein sprudelnder Quell journalistischen Unsinns.
Allein die Ausgangslage: Nicht nur die Erde ist dem Untergang geweiht, auch für den Daily Planet ist der Doomsday angebrochen. Waren wir drei Filme lang davon ausgegangen, dass Metropolis wichtigstes Leitmedium floriert, erfahren wir nun die bittere Wahrheit. Seit drei Jahren schreibt die Zeitung rote Zahlen! Die wirtschaftliche Schieflage macht die Verleger empfänglich für Übernahmeangebote – und damit anfällig für die Einflussnahme windiger Investoren. Der Zuschlag geht zu Beginn des Films an einen Unternehmer mit dem sprechenden Namen David Warfield (Sam Wanamaker). Der neue Eigentümer plant, das traditionsreiche Organ in ein reißerisches Revolverblatt zu verwandeln. So weit, so dramatisch.
Flaggschiff der freien Presse? Leidet Perry White unter Realitätsverlust?
Aufmerksame Medienbeobachter*innen ziehen an dieser Stelle die Brauen zusammen. Wieso verwandeln? War der Daily Planet nicht schon immer die fiktive Version einer BILD-Zeitung? Die boulevardeske Blattgestaltung des Chefredakteurs Perry White (Jackie Cooper), die verantwortungslosen Ego-Trips von Star-Reporterin Lois Lane (Margot Kidder, Sisters – Die Schwestern des Bösen), die einfallslosen Artikel-Ideen unseres Superman in disguise, Clark Kent (Christopher Reeve), der nicht eine Zeile zu Papier bringt – Anspruch und Realität klafften in dieser Redaktion stets weit auseinander. Umso verwunderlicher klingt, was Perry White angesichts seiner bevorstehenden Demission vom Stapel lässt: Es sei ein Akt publizistischer Barbarei, dass ein dahergelaufener Geldgeber „das Flaggschiff der freien Presse zu einem Schmierblatt“ mache.
Vielleicht ist uns ja entgangen, wie der Daily Planet in den vergangenen vier Jahren, die zwischen Teil III und Teil IV liegen, eine 180°-Wendung vollzogen und sich endlich auf journalistische Grundtugenden besonnen hat. In diesem Fall gäben allerdings die drei verlustreichen Wirtschaftsjahre zu denken: Lässt sich mit seriösem, aufopferungsvollem Journalismus etwa kein Geld mehr verdienen? Denkbar wäre aber auch, dass Perry Whites Zetern lediglich Ausdruck eines Nicht-Wahrhaben-Wollens, ein Ablenken von den eigenen Versäumnissen ist. So oder so: Diese dreijährige Durststrecke wirft Fragen auf. Fragen, die in einem Haus voller Rechercheure anscheinend lange nicht gestellt wurden.
Der Lotterwirtschaft folgt ein Armageddon der Sensationsgeilheit
Bevor wir aber zu lange in der hypothetischen Vergangenheit verweilen, wenden wir uns dem gegenwärtigen Übel zu. Denn verglichen mit Whites boulevardesker Lotterwirtschaft ist David Warfields Regentschaft ein Armageddon der Sensationsgeilheit. Über die nackten Damen auf Seite 1 kann man(n) noch hinwegsehen, auch wenn sie „nicht sehr amerikanisch“ seien, wie Warfield selbst zugibt. Viel schlimmer ist, dass der neue Eigner die Angst zum neuen Leitmotiv seiner redaktionellen Linie erhebt. Seine grobschlächtigen Schlagzeilen schüren Verunsicherung und Ressentiments unter den Menschen. Was selbst den ultra-zögerlichen Kent veranlasst, sich aus der Deckung zu wagen. Wäre Warfields Medienmacht nicht besser eingesetzt, wenn er für eine Deeskalation zwischen den Blöcken werben würde? Der neue Herr im Haus kontert mit einem Crash-Kurs in Sachen Abstatzmarketing. „Eine schwere internationale Krise verdoppelt meine Auflage“, reibt sich Warfield die Hände.
Warfield entlässt White und setzt seine Tochter Lacy (Mariel Hemingway) als Redaktionsleiterin ein. Eine im doppelten Sinne undankbare Rolle. Zunächst einmal wird schnell offensichtlich, dass Lacy kaum publizistische Erfahrung mitbringt und nur deshalb zur Statthalterin ernannt wurde, damit sie die „Angst, Hass, Titten und der Wetterbericht“-Agenda ihres Daddys durchdrückt. Darüber hinaus werden dümmliche Figuren wie die ihre geschrieben, um Karrieren zu zerstören. Dass Darstellerin Mariel Hemingway diesen Auftritt – und die dazugehörige Nominierung für die Goldene Himbeere – überwunden hat, spricht definitiv für sie.
Der Man of Steel wird zur Zielscheibe einer Pressekampagne
Lacy darf sich in einer ersten Amtshandlung lasziv-unbeholfen auf dem Schreibtisch räkeln. Sie hat einen Crush auf Clark und zitiert ihn ins Büro, wo sie ihm in geschilderter Pose eine Artikel-Idee unterbreitet. Kenner*innen des dritten Teils atmen auf, dass sie die journalistische Initiative ergreift: So bleiben uns wenigstens Clark dusselige Pitches erspart (wer sich wirklich ein Bild von dessen „Einfallsreichtum“ machen möchte, hier der Rückgriff auf Superman III). Auch Lacys Reportage-Ansatz ist kaum geeignet, Scheintote in einer Redaktionskonferenz zu erwecken. Die Headline: Metropolis bei Nacht. Dieser Arbeitstitel ist ohnehin nur ein Vorwand, um Clark auf ein romantisches Date zu entführen. „Ich bin nicht der Richtige. Ich liege immer um halb 11 im Bett“, versucht der sich aus der Show zu stehlen. Doch er kommt nicht um die Verabredung herum.
Seiner wahren Identität steht noch größeres Ungemach ins Haus. Der Man of Steel wird zur Zielscheibe einer Pressekampagne. Vorausgegangen sind die ergreifenden Zeilen eines Jungen, sein großer Held möge doch die Welt von sämtlichen Atomwaffen befreien. Superman zögert, er lässt den Brief vorerst unbeantwortet. Tief in seinem Herzen möchte er dieser Bitte nachkommen, wären da nicht die Geister Kryptons, die ihm suggerieren, die Menschen seien für ihr Schicksal eigenverantwortlich. Noch bevor er sich zu einem Eingreifen durchringen kann, wird Superman vom öffentlichen Druck übermannt.
Die Zeitung intrumentalisiert ein Kind, um Superman zu provozieren
Zwischenzeitlich ist die Daily Planet-Redaktion in den Besitz des Briefes gelangt, die nun den kindlichen Absender ins Rampenlicht zerrt. Papa Warfield drängt den Jungen dazu, seine Bitte vor der Weltpresse zu wiederholen. Wieder bleibt der Aufruf unbeantwortet. Weil Superman nicht prompt zur Stelle ist, titelt der Daily Planet in seiner Abendausgabe, der stählerne Retter habe sich endgültig von der Menschheit abgewendet. Lois Lane, Vorsitzende des Superman-Fanclubs, protestiert, als sie von den Rufmord-Absichten ihrer Zeitung erfährt. Vergeblich. Noch ist Lacy Warfield ganz auf der Linie ihres Vaters. Diese Geschichte müsse man aufmotzen: „Daddy liebt so etwas.“
Medial in die Enge getrieben, tritt Superman schließlich doch vor die Kameras. Natürlich habe er vor, seiner Verantwortung als Beschützer und Friedenstifter nachzukommen, betont er vor UN-Vollversammlung: „Mit sofortiger Wirkung befreie ich den Planeten von allen Atomwaffen“. Wie genau er das anstellen will, verrät er in einem Exklusivinterview mit Lois Lane. Die hat sich, insbesondere wenn wir uns das dilettantische Interview aus dem ersten Superman-Film in Erinnerung rufen, eindeutig gemacht. Zwar bekommt sie in Supermanns Anwesenheit noch immer weiche Knie, ihre Fragen allerdings sind gefestigter. Superman plant, sämtliche Sprengköpfe in der Sonne zu versenken. „Was passiert eigentlich, wenn Du alle Atomwaffen in die Sonne wirfst?“, hakt sie nach.
Auch Superschurken lesen aufmerksam Zeitung
Superman als Experte fürchtet keine negativen Konsequenzen (Bomben einfach im All verschwinden zu lassen, hat ja schon im zweiten Teil hervorragend funktioniert), hat aber die Rechnung ohne Lex Luthor (Gene Hackman, Under Fire) gemacht. Denn auch Superschurken lesen aufmerksam Zeitung. Jetzt, wo die Pläne öffentlich bekannt sind, heckt Luthor eine im wahrsten Sinne des Wortes „haarsträubende“ List aus. Mithilfe seines trotteligen Neffens Lenny (Two and a half Man-Star Jon Cryer) stibitzt der Bösewicht ein Haar des Kryptoniers aus einer örtlichen Superman-Ausstellung, um daraus feinste Biomasse zu synthetisieren und diese an einen Atomsprengkopf zu pinseln. Als Superman seinen atomaren Kotbeutel ins Zentrum unseres Planetensystems pfeffert, kommt es zu einer ungeahnten Reaktion: Der Nuclear Man ist geboren und fordert Superman zum Kampf der Titanen heraus.
In der globalen Schlacht (unter anderem geht die Chinesische Mauer zu Bruch, man kann Superman IV vieles ankreiden, aber ganz sicher nicht, dass er langweilig sei) zieht Superman zunächst den Kürzeren. Nuclears Mans atomare Maulschellen über den Dächern New Yorks – äh – Metropolis sind letztlich zu viel und schmettern Superman zu Boden. Sein zerrissenes Cape an der Fackel der Freiheitsstatue wird zum Fanal einer scheinbar besiegelten Verdammnis der Menschheit. Supermans eigenes Schicksal bleibt für den Moment ungeklärt, was den Daily Planet aber nicht davon abhält, ihn für tot zu erklären.
Lois Lane zeigt Stärke, indem sie ihrer Redaktion den Rücken kehrt
Das ist wiederum zu viel für Lois Lane. Die Star-Reporterin kehrt ihrer Zeitung den Rücken! Eine nie dagewesene Situation, was ebenso für ihre weitere Rolle in dem Film gilt: Zum ersten Mal ist sie diejenige, die Superman errettet, indem sie den arg geschwächten Helden wieder aufpäppelt. Sie ist wahrlich einen langen Weg gegangen. Ausgerechnet im verschmähten vierten Teil hinterlässt die Kidder-Lane den besten Eindruck.
Das große Finale sparen wir in dieser Nacherzählung mal aus, der Presse-Plot hat in dieser Zeit Pause. Erwähnenswert ist vielleicht noch, dass sich Lacy – zwischenzeitlich in den Fokus von Lex Luthor und seinem Nuclear Man geraten – von ihrem Vater emanzipiert und auf die Seite der Guten schlägt. Superman rettet die Welt und auch für den Daily Planet gibt es ein Happy End. Perry White ist es in der Zwischenzeit gelungen, „Bankiers von der Kostbarkeit der Zeitung zu überzeugen“ und winkt nun seinerseits mit dem Scheckbuch. David Warfield hält nur noch Minderheitsanteile und schaut ungläubig drein.
Am Ende siegt der seriöse Journalismus – aber warum?
Wie so ein Deal vor dem Hintergrund einer drohenden Apokalypse hätte ablaufen sollen, darüber zerbrechen wir uns am besten nicht den Kopf. Auch nicht, wie dieser Sinneswandel hätte zustande kommen sollen. Abgesehen davon, dass uns vor Augen gehalten wurde, welche Blüten eine rein auf Gewinnmaximierung ausgerichtete Berichterstattung treiben kann, hatte Whites seriöser Journalismus überhaupt keine Gelegenheit, seine Leistungsfähigkeit unter Beweis zu stellen. Hauptsache, der Status Quo ist wieder hergestellt.
Auch wenn die Produzenten gehofft haben, dass sie das Franchise weiter hätten melken können – aus journalistischer Perspektive schließt sich ein Kreis: Am Ende von Superman IV ist der Daily Planet jenes Symbol der Hoffnung, welches im Intro des ersten Teils besungen wurde. Zwischen den Zeilen endet diese Schlussstrophe mit einer schönen Utopie: Eine Welt, die sich den Luxus einer freien Presse zur Wahrung freiheitlich-demokratischer Werte erlaubt, sei sie noch so defizitär.
Unser Superman-Special
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