Reporterin Elsa sieht die Intervention in Afghanistan kritisch. Bis der Tag kommt, an dem sie entführt wird. Ein Job für die Special Forces.
Reporterin Elsa sieht die Intervention in Afghanistan kritisch. Bis der Tag kommt, an dem sie entführt wird. Ein Job für die Special Forces.
Text: Patrick Torma. Bildmaterial: Universum Film.
Elsa Casanova (Diane Kruger, The Hunting Party) ist nach Afghanistan gereist, um den Frauen dort eine Stimme zu geben. Die französische Journalistin trifft sich mit einer Informantin, die als junges Mädchen in die Fänge des Taliban-Chefs Zaief (Raz Degan) verscherbelt wurde. Doch der „Schlächter von Kabul“ bekommt Wind von diesem delikaten Whistleblowing und nimmt kurzerhand die Reporterin in Gefangenschaft.
In Casanovas Heimat wird nicht lang gefackelt: Per Präsidentenbeschluss wird ein Sonderkommando an den Hindukusch beordert. Nicht jeder in der Rettungstruppe um Anführer Kovax (Djimon Hounsou, Blood Diamond) geht mit diesem Einsatz d‘accord. Immerhin ist Elsa Casanova bislang als vehemente Kritikerin der französischen Beteiligung am Afghanistan-Krieg aufgefallen. Allerdings: Eine renommierte Reporterin ihrem Schicksal zu überlassen, ist für Frankreich auch keine Option.
Vorgeschobene Würdigung der vierten Gewalt
Special Forces – in Deutschland, wo Militärthemen naturgemäß etwas kritischer goutiert werden, wurde der Film für die spätere Fernsehauswertung als Flucht durch die Berge vermarktet – würdigt im Abspann alle Journalisten, „die auf der gesamten Welt ihr Leben riskieren, um uns zu informieren“. Ein spätes Feigenblatt. Denn bis dahin ist der Film von Regisseur Stéphane Rybojad das reinste Saluttrommelfeuer zu Ehren der tapferen Ballermänner, die heroisch und ohne zu fragen ihren Dienst fürs Vaterland verrichten.
Schon die Eröffnungsszene, die Erinnerungen an Francis Ford Coppolas Helikopter-Ritt der Walküren aus Apocalypse Now geradezu erpresst, gleichzeitig ein Michael Bay-Gedächtnis-Schnittgewitter auf unsere Augen niederregnen lässt, lässt keinen Zweifel daran, wer in diesem Schauspiel die Coolen sind. Dagegen hat Betroffenheitsjournalistin Diane Kruger alle Mühe, mitzuhalten.
Eine mutige Reporterin wird schnell entmündigt
Zwar wird sie als unerschrockene Anwältin eingeführt, die bereit ist, Quellenschutz wortwörtlich zu nehmen (indem sie ihre Informantin mit dem eigenen Leben beschützen möchte). Doch die Bewunderung für die journalistische Figur ist nur vorgeschoben. Im Grunde genommen ist der Journalismus in diesem Film nicht mehr als ein lästiges Anhängsel, das man pflichtschuldig durchschleppen muss, will man daheim keinen öffentlichen Aufschrei riskieren. Und Diane Kruger letztlich kaum mehr als die blonde Schönheit, die in diesem simplen gestrickten Actioner aus den Fängen der der bärtigen Bestien befreit werden muss. „Sieht sie zumindest gut aus?“, will ein Elitesoldat tatsächlich wissen, bevor er sich zur Rettung bequemt.
Es schwingt ein Hauch von Der Soldat James Ryan mit, wenn die Rettungsmission zum Himmelfahrtskommando mutiert, der Trupp nach und nach dezimiert wird und die unweigerliche Frage aufkommt: „War es das alles wert?“ Bevor wir anfangen, auf universeller Ebene darüber nachzudenken: Die Antwort des Films bemisst sich rein am Überleben der Journalistin. Weswegen sie ursprünglich nach Afghanistan gekommen ist, spielt schon nach wenigen Minuten keine Rolle mehr.
Ratlos in Afghanistan: Was soll das Ganze eigentlich?
Mehr noch: Der Film macht recht unverhohlen klar, was er wirklich vom journalistischen Antrieb Elsas hält. Sie wird nicht der Wahrheit wegen zum Ziel. Sondern aus eigensinnigen Motiven. So wie der Film es darstellt, ist ihre Entführung das lästige Resultat einer persönlichen Fehde zwischen mit Warlord Zaief. Für den es im Übrigen keinerlei logischen Grund gibt, warum er die Reporterin nach ihrer Ergreifung am Leben lassen sollte. Eine Leerstelle, die selbst seinen Schergen nicht verborgen bleibt. Was er denn eigentlich mit der Geisel vorhabe? Ach, das wüsste er doch auch nicht.
Ebenso ratlos zeigt sich der Film im weiteren Umgang mit der journalistischen Figur. Elsa wird relativ flugs von den Spezialeinheiten befreit, weil aber das Funkgerät zu Bruch und die Abholung am Treffpunkt schiefgeht, geht’s zu Fuß weiter – die Verfolger im Rücken, die Gebirgsmassive des Hindukuschs im Weg. Das Militär-Spektakel gerät zum Survival-Drama. Die imposanten Landschaftsaufnahmen (gedreht wurde u.a. in Tadschikistan) und die inflationäre Verwendung schwindelerregender Hubschrauber-Aufnahmen allerdings können nicht über den Umstand hinwegtäuschen, dass es inhaltlich wenig zu betrachten gibt.
Der Journalismus verbrüdert sich mit dem Militär
Dabei könnte spätestens jetzt der angedeutete Konflikt zwischen Militär und Journalismus verhandelt werden. Käpt’n Kovax selbst gibt zu, dass Elsas kritische Berichterstattung durchaus Aufmerksamkeit verdiene. Worin diese Kritik genau besteht, wird allerdings nie ausgeführt. Noch bevor Elsa Gelegenheit bekommt, ihre Gedanken on screen auszuformulieren, verbrüdert sie sich mit ihren Rettern. Im weiteren Verlauf deutet sich sogar eine zarte Liebschaft an.
Das Ziel jedweder militärischer Einflussnahme auf journalistische Berichterstattung* ist erreicht: Jeglicher Einwand seitens Elsa würde sie nun nicht nur als undankbar, sondern – in der verqueren Logik, die der Film zur Schau trägt – als unpatriotisch, gar unmenschlich entlarven.
*Stichwort: Embedded Journalism, Hintergründe gibt es in der Filmbesprechung zu Tango Whiskey Foxtrot.
Denn: In Sprengseln verweist der Film auf das Leid der Menschen unter der Terrorherrschaft der Taliban. Das Totschlag-Argument für die Intervention. Aber: Empathie und echtes Interesse sehen anders aus. Zu schnell wird die nächste Action-Sequenz abgespult.
Special Forces – eine filmische Durchhalteparole?
Special Forces will gar nicht mehr als eine Schießbude sein. Als solche funktioniert sie, vom technischen Standpunkt gesehen, gar nicht mal so schlecht. Bemerkenswert ist das Produktionsjahr: Sollte der Streifen als filmische Durchhalteparole gedacht gewesen sein – er kam zu spät. 2011 ist auch das Jahr, in dem Frankreich den Abzug seiner Truppen beschloss. Nach 11 Jahren Kampfeinsatz, in denen 89 französische Soldaten getötet wurden.
Immerhin, eine versöhnliche Pointe hält der Film bereit – damit ja nicht alles umsonst war und es mit dem fadenscheinigen Lob im Abspann für die Presse irgendwie noch passt. Denn am Ende ist die Journalistin diejenige, die doch noch für die pathetische Rettung der verbliebenen Soldaten sorgt.
Eine Filmempfehlung zum Thema Afghanistan gefällig? In Kabul Express geraten zwei Reporter mit den Taliban aneinander – der indische Film verhandelt die heikle Gemengelage in dem Land auf raffinierte Weise.
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