In der Stadt der Zukunft koordinieren die Roboter das öffentliche Leben. Doch die Maschinenmenschen wollen mehr. Sie proben den Aufstand.
In der Stadt der Zukunft koordinieren die Roboter das öffentliche Leben. Doch die Maschinenmenschen wollen mehr. Sie proben den Aufstand.
Ein Nachrichten-Team ist live vor Ort. Einen Unterschied macht ihre Anwesenheit nicht. Die Berichterstattung in Robotropolis ist eine Dystopie für sich.
Text: Patrick Torma. Bildmaterial: Koch Media.
„Ich bin ziemlich nah dran!“ Ein Mann stolpert panisch durch die Botanik, was aus zweierlei Gründen keine gute Idee ist. Erstens betrachten wir die Szenerie durch das schunkelnde Auge eines Cyper-Camcorders. Die Sicht ist verbaut von allerlei Graphen und Amplituden, die sinnbefreit ausschlagen, aber schön Terminator-mäßig nach Science-Fiction aussehen. Übersicht: gleich null. Dafür das Gefühl von Übelkeit. Diese inszenatorische Kirmes törnt nicht mal Found Footage-Fetischisten ein. Zweitens endet der Schwank durch die Pampa tödlich. Ein böser Roboter schießt das Ein-Mann-Kamera-Team über den Haufen. Wer der Mann war? Ein Journalist? Ein BILD-Leser-Reporter? Spielt keine Geige. Der Film kehrt niemals mehr zu dieser Szene zurück. Anscheinend war sie dazu gedacht, storytechnisch jene abzuholen, die Probleme hatten, die fisselige Ein-Satz-Synopsis ihres Streaminganbieters zu entziffern und blanco in den Streifen einsteigen mussten.
Nach diesem freundlichen Service im Sinne der Barrierefreiheit lernen wir unsere eigentliche Heldin kennen. Reporterin Christiane Nouveau (Zoe Naylor) – ein sprechender Name mit Niveau – ist das „beste Pferd im Stall“ und berichtet für den TV-Sender GNN live aus der Stadt der Zukunft: New Town. Entworfen und erbaut von einem Öl-Konzern, der nebenan im Südchinesischen Meer das größte und modernste Öl-Feld der Welt betreibt. Der Clou: Ihre Bewohner*innen, allesamt Mitarbeiter*innen des Konzerns, werden von Robotern gepampert. Die Hightech-Büchsen managen den Alltag in der Stadt, sie räumen den Müll weg und halten die öffentliche Ordnung aufrecht. Dieses Szenario müffelt gewaltig nach Aufstand der Maschinen. Nouveau spricht in ihrem Bericht lieber von der „Vorstellung von Science-Fiction, die hier bereits angenehme Realität ist“. Ein Robo reicht ihr einen Cocktail. Dagegen sehen die RTL 2-News plötzlich aus wie die Tagesthemen.
Public Relations für eine dystopische Zukunft
Der Plauderton in der Berichterstattung lässt sich durch den Umstand erklären, dass Nouveau und ihr Team auf Einladung nach New Town gekommen sind. Sie sind die allerersten Pressevertreter, die aus Robotropolis berichten dürfen. Überhaupt war dieser unglaubliche technische Fortschritt bisher ein gut gehütetes Geheimnis, wie die Journalistin selbst bemerkt. Was die Frage aufwirft, ob es sich bei New Town nicht vielleicht um den ersten privatwirtschaftlichen Überwachungsstaat der Welt handelt. Diesen Abstauber lässt Christiane Nouveau ungenutzt, sie ist ganz auf Gefälligkeitsjournalismus gepolt.
Gordon Standish (Lani Tupu), Milliadär und Vater von Robotropolis, inszeniert sich im Interview als philanthropischer Weltverbesserer. Christiane Nouveau lässt ihn gewähren. „Sie machen es wirklich nicht wegen des Geldes“, raunt die Reporterin derart erregt, dass man meinen könnte, sie moderiere an der Seite von Horst Fuchs eine Dauerwerbesendung. Im Grunde tut sie das auch: „Journalismus heißt, etwas zu drucken, von dem andere wollen, dass es nicht gedruckt wird. Alles andere ist Public Relation“, besagt eine journalistische Binsenweisheit. Warum GNN gerade jetzt aus Robo-City berichten darf, verwundert die Film-Crew nicht. Christiane Nouveau entlockt Standish, dass er selbst in seinem eigenen Alltag auf maschinelle Unterstützung verzichtet, hakt aber auch bei dieser Gelegenheit nicht weiter nach. Traut der Vater der Roboter seiner eigenen Schöpfung nicht?
Journalistische Höchstleistung
auf der grünen Wiese
Dieser Schluss liegt nahe, zumal Standish’ Automaten schon bald die Schaltkreise durchbrennen. Während eines Fußballspiels mutiert einer der Maschinenmenschen zum Zidane. Nach einem kurzen Aufreger pustet der Roboter einen Gegenspieler aus Fleisch und Blut um. Die Kamera hält die Hinrichtung fest – GNN sendet übrigens die gesamte Zeit über live, was aufgrund der vielen Ortswechsel in dem Beitrag eine logistische, Grimme-Preis-verdächtige Meisterleistung darstellt –, eigentlich wollte Christiane Nouveau ihren Bericht mit dieser kleinen sportlichen Einlage enden lassen. Stattdessen switcht sie nun vom Günstlings- in den Kriegsreportermodus. Furchtlos verharrt sie, keine 15 Meter vom Killer-Roboter entfernt, auf der Wiese. „Wir sehen da den Roboter, der soeben den Mann erschossen hat“, kommentiert sie für alle, die es mit den Augen haben. Jason Brooks, ihr Produzent, gehört zur ungeduldigen Truppe. „Zeig’ mir lieber den Toten“, herrscht er seine Außenreporterin an. Die gehorcht doch glatt. „Gutes Mädchen“, haucht der Zampano der Journalistin via Headset ins Ohr.
Brooks Machosprüche – die beiden sind (unbegreiflicherweise) ein Paar, gönnen sich aber gerade (total verständlich) eine Beziehungspause – spornen Nouveau zu journalistischen Höchstleistungen an. „Der Mann ist tot, da besteht kein Zweifel“, attestiert sie aus sicherer Entfernung. Atmung prüfen? Pulsmessen? I wo! The show must go on. Sehr zum Verdruss von Gordon Standish. Der Marketing-Spruch „Es gibt keine schlechte Publicity“ trifft im Falle von Amok laufenden Arbeitsmaschinen wohl nicht zu. „Der Kerl ist tot, das kam gerade über den Sender“, informiert ein Handlanger seinen Vorgesetzten.
Keiner weiß es genau,
aber so muss es sein…
New Town ist die Stadt der Zukunft, ausgestattet mit allem technischen Schnickschnack, und dennoch ist Standish plötzlich auf Hörensagen aus dem Fernsehen angewiesen. Denn das ist alles, was GNN von diesem Moment an sendet. „Wir müssen annehmen“, „So wie es aussieht“, „Keiner weiß es genau, aber so muss es sein“ – Nouveau orakelt sich wie eine televisionäre Pythia in Ekstase. Weil dem Sender Spekulationen aus erster Hand nicht genügen, schaltet man eine grenzdebil dreinblickende Blitzbirne (im doppelten Wortsinn, in dieser Stirn spiegelt sich das Publikum) von Nachrichtenmoderator dazwischen.
Standish findet, dass sein Westworld für Arme inzwischen mehr als schlecht wegkommt. Der Milliardär will auf die Berichterstattung einwirken und weint sich beim Produzenten aus. Der steht für Zuschauerfragen praktischerweise im Foyer der Konzernzentrale parat, denn wie sich herausstellt, ist auch die Sendeleitung live vor Ort. Doch Brooks faselt plötzlich irgendetwas von seriöser Berichterstattung. Anscheinend hat da jemand bereits kleine Pulitzer-Preise in den Augen. Oder ist Brooks doch eine Reinkarnation von Dr. Jekyll und Mr. Hide?
“Ich bin Nachrichtenmann,
ich will Blut sehen…”
Anders lässt sich die moralische Flexibilität des Produzenten jedenfalls nicht erklären. Erst heißt es: „Ich bin Nachrichtenmann, ich will Blut sehen“. Dann fürchtet er sich um die Sicherheit seiner Ex, Nouveau möge sich schnellstens vom Tatort Wiese zurückziehen. Kamerafrau Sky Bennett (Tonya Cornelisse) allerdings darf sich – auf Brooks Geheiß, versteht sich – anstandslos von einem Robocop verhaften lassen. Als die Hölle in New Town losbricht, ist von einer Evakuierung seines News-Teams keine Rede mehr. „Die Story muss weiter gehen, unter allen Umständen.“ Ehrlich: Der wahre Amokläufer in diesem Film ist Produzent Jason Brooks.
Brooks wäre die personifizierte Mediensatire, würde es Robotropolis nicht so verdammt ernst meinen. Der Film feiert den dummdreisten Sensationsjournalismus der Marke GNN – so heißt übrigens auch der TV-Sender in Tim Burtons 50er-Jahre-Sci-Fi-Hommage Mars Attacks! – wie eine Errungenschaft. Durch den heldenhaften „Einsatz“ der Journalisten erfährt die Welt von den Machenschaften eines Konzerns, der dabei ist, unseren Alltag zu entmenschlichen. Dabei waren Christiane Nouveau und ihr Team lediglich zur falschen Zeit am richtigen Ort. Wir erinnern uns, Standish und sein Konzern haben die PR-Grube selbst ausgehoben. Die eigentliche Leistung der Journalisten in Robotropolis besteht darin, sich abendfüllende 90 Minuten in den Vordergrund zu mogeln, ohne dass sie irgendetwas zu melden hätten. Sie enthüllen nichts, sie bewirken keine Reaktion, sie retten nicht einmal den Tag. Sie sind nichts weiter als Souffleure. Wie Schnellmerker sprechen nur das aus, was wir ohnehin schon wissen oder vor wenigen Augenblicken erst gesehen haben.
Der Goldene Bonilla für journalistische Doofheit
Um die Geschichte vom Roboter-Aufstand zu erzählen, hätte es die Medien noch nicht einmal gebraucht. Die Dystopie von einer Stadt, in der die Roboter die Kontrolle übernommen haben, ließe sich auch ohne nervige Voice-over, nur anhand von Bildern, etablieren, indem man beispielsweise verschiedene Szenen aus dem Alltag der Bewohner zeigt. Nur hätte sich dafür jemand Gedanken über ein vernünftiges Storyboard machen müssen. Es ist natürlich einfacher, zu Beginn eine 15-minütige (!) Sondersendung abzufahren, die alle Einzelheiten breit erklärt. Die Presse hat ihre Schuldigkeit getan. Aber wenn sie schon mal da ist, kann man sie anschließend auch verheizen. Das kümmerliche Bild, das der Journalismus in Robotropolis abgibt, ist schlimmer als die eigentliche Dystopie. Neben Christiane Nouveau und GNN erscheint selbst Roboter-Journalismus erstrebenswert.
Ich zücke sie selten, in diesem Fall ist sie aber voll und ganz verdient: unsere herrlich beschissene Auszeichnung für besonders schlechten Journalismus im Film. Der Goldene Bonilla geht in der Kategorie Größte journalistische Doofheit im Kollektiv an die Stereotypen-Combo aus Robotropolis, bestehend aus: die Reporterin als Eye-Candy, der quotengeile Produzent, die Producerin mit der Stimme der Vernunft, aber mangelndem Durchsetzungsvermögen, der verliebte Kameramann, der verzweifelt eine Dreiecksbeziehung etablieren will, und die zweite Kamerafrau, die es nur in den Film geschafft hat, damit man uns einen frühen Kill zeigen kann. Der Ehrenpreis geht an vividthree – the animation people. Wenn die Logopräsentation einer Visual Effects-Schmiede im Vorspann wie auf einem 468er zuckelt, dann weiß man, was die Stunde geschlagen hat.
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