Und sonst so? Die Pressepolka zerrt Gedanken und Netzfundstücke rund um das Thema Journalistenfilme ans Licht. Besonders hell strahlte auch im Janua
Und sonst so? Die Pressepolka zerrt Gedanken und Netzfundstücke rund um das Thema Journalistenfilme ans Licht. Besonders hell strahlte auch im Januar das Spotlight von Regisseur Tom McCarthy. Kein Wunder: Die wahre Enthüllungsgeschichte eines Missbrauchsskandals in der Katholischen Kirche geht als Mitfavorit in das Oscarrennen am 28. Februar.
Von Patrick Torma. Bild: I. Rasche / pixelio.de.
Schon jetzt ist Spotlight hochdekoriert. Die jüngste Auszeichnung erfolgte bei den Screen Actors Guild (SAG) Awards: Die US-Schauspielergewerkschaft kürte die Besetzung rund um Michael Keaton zum Besten Ensemble 2015. Ein weiterer Fingerzeig in Richtung Oscars. Gleichwohl hält die Academy keine vergleichbare Trophäe bereit: Stattdessen wurden die Einzelleistungen von Mark Ruffalo und Rachel McAdams (Bester Nebendarsteller bzw. Beste Nebendarstellerin) mit Oscar-Chancen honoriert, hinzu kommen weitere vier Nominierungen in den Kategorien Bester Film, Beste Regie, Bestes Originaldrehbuch und Bester Schnitt. Mal sehen, wie sich der Journalistenfilm gegen die großen Blockbuster Der Marsianer, Mad Max und vor allem The Revenant behauptet (Apropos The Revenant – für die Kollegen vom Entertainment Blog habe ich mein angestammtes Territorium verlassen und eine Gast-Kritik verfasst. Verdammt starker Film…).
Meine Vorfreude auf den 25. Februar (dann läuft Spotlight bei uns in Deutschland an) ist jedenfalls ungebrochen. Seit der vergangenen Pressepolka ist die traumhafte Rotten Tomatoes-Wertung nur geringfügig geschmolzen – von 97 auf 96 Prozent (Stand Anfang Februar 2016). Der Tenor der deutschen Kritiker, die bereits einen Blick erhaschen durften, ist ebenfalls positiv. So schreibt Kai Mihm für epd Film: “[Spotlight ist] ein Drama über eine große journalistische Investigation, aber kein großspuriges Enthüllungsdrama; eine Reflexion über ethische Integrität, aber keine Moralpredigt; eine Erzählung über pervertierte Religionsloyalität und die ungute Macht der katholischen Kirche, aber kein Pamphlet gegen Glauben und Spiritualität.”
Spotlight: Lob aus dem Vatikan
Letzteres wird jene Glaubensbrüder und -schwestern freuen, die sich einem Generalverdacht ausgesetzt sahen. Auch Regisseur Tom McCarthy betonte gegenüber dem Catholic Herald, dass er nicht beabsichtige, eine komplette Glaubensgemeinschaft zu denunzieren: ‘Spotlight is not an attack on the Catholic Church’. Der größte Protest gegen diesen Film scheint sich ohnehin auf diejenigen zu beschränken, die als Amt- und Würdenträger im Dunstkreis des Skandals unterwegs waren oder aber den Missbrauch per se nicht wahrhaben wollen. Das Vatikanische Radio lobte den Film hingegen als “ehrlich und dringend”.
Aber zurück zur deutschen Filmkritik: Mit etwas mehr Abstand zum Thema mischen sich auch ernüchterte Stimmen in den allgemeinen Tenor. Das, was Kai Mihn als große Stärke hervorhebt, die Unaufgeregtheit der Erzählung nämlich, empfindet Michael Meyns (programmkino.de) als Schwäche: Zwangsläufig weckt “Spotlight” Vergleiche zu den legendären Paranoia-Thrillern der 70er Jahre, zum Watergate-Film “Die Unbestechlichen”, “Die Drei Tage des Condors” oder “Zeuge einer Verschwörung”. Was diese Filme, ebenso wie neuere Vertreter des Genres wie Michael Manns “The Insider” oder erst Anfang des Jahres Christoph Hochhäuslers “Die Lügen der Sieger” zu mehr machten, als bloßen Nacherzählen von Fakten, war die Überhöhung ihres Sujets. Um von den bloßen Fakten einer journalistischen Recherche zu erfahren reicht ein Blick auf eine Wikipedia-Seite, was das Kino jedoch kann, ist eine spezielle Geschichte künstlerisch zu überhöhen, um das Universelle herauszuarbeiten.
Warum wirkt Michael Keaton so feminin?
So oder so: Spotlight ist und bleibt Pflichtprogramm für journalistenfilme.de. Wobei mich eine Sache ganz schön irritiert hat: Die Anordnung von Bildern und Namen der Besetzung auf dem Filmplakat. Da sieht Mark Ruffalo verdächtig nach Stanley Tucci aus und Michael Keaton wirkt plötzlich so feminin. Was wie ein verkapptes Bilderrätsel anmutet, scheint die Folge eines hoch komplexen Vertragswerkes zu sein:
@JouFi_de Die Reihenfolge der Namen ist oft vertraglich fixiert. Aber warum man dann die Fotos nicht anpasst!? Aber jetzt reden wir drüber!
— Hari List (@HariLi) 1. Februar 2016
Marco von Duoscope hat zwei interessante Erklärungsansätze aus erster Hand aufgetan: Why names rarely match up with faces on movie posters und On movie posters. Die Kurzfassung: Es ist verdammt kompliziert. Ich habe jedoch einen Entwurf erarbeitet, der den vertraglich fixierten Eitelkeiten gerecht wird, gleichzeitig aber die Konfusion des Betrachters zerstreut:
Die Journalistenfilme der Anderen
Nicht nur Hollywood thematisiert den Missbrauch von Kindern – auch der deutsche Film nimmt sich dieses Themas an. Mitte Januar lief im Ersten der zweite Teil der Operation Zucker-Reihe: Jagdgesellschaft. Der Film zeichnet eine publizistische Dystopie: Im dazugehörigen Text zeige ich auf, warum der porträtierte Investigativjournalist, obwohl mit allen guten Eigenschaften ausgestattet, nicht zu beneiden ist. Da mich schon mehrfach das Bedauern jener erreicht hat, die den Film verpasst haben, weise ich nochmal zentral auf die ARD-Mediathek hin: Dort ist Operation Zucker. Jagdgesellschaft noch bis zum 26. April verfügbar, aufgrund der Jugendschutzbestimmungen allerdings erst ab 20 Uhr.
Ebenfalls mehrfach an mich herangetragen wurde die Frage, warum der Kriegsreporterthriller Under Fire mit Nick Nolte in der Hauptrolle nirgendwo auf journalistenfilme.de zu finden ist. Dazu kann ich nur sagen: Kommt noch, wir sind hier schließlich noch ganz am Anfang. Wer nicht stillhalten kann, dem lege ich das Filmkuratorium ans Herz. Die Kollegen haben kürzlich einige interessante Gedanken zum Journalistenbild in diesem Film aufs virtuelle Papier gebracht: “Etwas erinnert Prices Fotojournalismus in Krisengebieten dann an die Kernphysiker, für die sich spätestens mit dem Bau der Atombombe und die damit verbundene Möglichkeit zur sofortigen Auslöschung der menschlichen Spezies durch sich selbst die Frage gestellt hat, welche Verantwortung sie für die Ergebnisse ihrer Arbeit zu übernehmen haben.”
Danke für Eure Unterstützung!
Dass sich die Anfragen häufen, freut mich ganz besonders. Daher möchte ich mich am Ende dieser Pressepolka bei allen bedanken, die sich mit journalistenfilme.de auseinandersetzen und dieses Projekt mit ihren Anregungen mitanschieben. Gerade im Januar gab es einen Schub, den ich auf den netten Anreißer beim Medienmagazin Turi2 sowie das Facebook-Feature des Deutschen Journalistenverbands zurückführe.
Meldungen wie diese, Eure Shares im Social Web und vor allem Euer Feedback sind der Ansporn, diese kleine Seite ins nächste Level zuführen. In den vergangenen Tagen durfte ich einige interessante Gespräche führen, daraus sind ein paar nette Ideen für die Zukunft entstanden. Allzu viel will ich noch nicht verraten, schließlich soll sich journalistenfilme.de in einem vernünftigen Tempo entwickeln. Da draußen warten noch so viele Reporterstreifen auf ihre Sichtung (wer wissen will, was in den kommenden Wochen und Monaten so auf dem Programm stehen könnte, kann in meiner Letterboxd-Liste stöbern). Es wird aber sicher das eine oder andere Crossover mit Blogger-Kollegen geben, eventuell ein neues Format. In diesem Sinne: Seid gespannt und bleibt journalistenfilme.de treu.
Ihr habt Anregungen, Kritik oder sonstiges Feedback? Über patrick [at] medien-nomaden [punkt] de kommen wir ins Gespräch. Ich freu’ mich drauf!
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