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Journalismus im Dreieck: Nachrichtenfieber (Broadcast News, 1987)

So eine Nachrichtenredaktion ist ein kleines Universum für sich: Berufsauffassungen prallen aufeinander, Egos kollidieren, und obendrein wirken k

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So eine Nachrichtenredaktion ist ein kleines Universum für sich: Berufsauffassungen prallen aufeinander, Egos kollidieren, und obendrein wirken kosmische Fliehkräfte.

James L. Brooks Nachrichtenfieber ist unterhaltsamer Anschauungsunterricht.

Text: Patrick Torma. Bildmaterial: 20th Century Fox.

Nachrichtenfieber (OT: Broadcast News) beginnt mit drei kurzen Rückblenden. Wir lernen unsere Protagonisten samt Stärken und Schwächen im Kindesalter kennen. Der kleine Tom Grunick etwa ist alles andere als eine Leuchte, doch seine Lernschwäche macht er mit dem Charme eines naiven Lausbuben, dem man für nichts böse sein kann, wieder wett. Jane Craig ist intelligent und besitzt eine hohe Auffassungsgabe, neigt aber zu manischem, übergenauem Verhalten. Aaron Altman weiß unbequeme Wahrheiten wortgewandt herauszuposaunen, lässt aber jegliches Gespür für Diplomatie vermissen, weshalb er ständig eins auf die Nase kriegt.

Beruf kommt bekanntlich von Berufung, und so finden die Drei im späteren Arbeitsleben zueinander. Aaron (Albert Brooks, Drive) hat sich ein Image als journalistischer Wadenbeißer erarbeitet. Ein unnachgiebiger Fragesteller, der stets entlang der Schwelle zur Taktlosigkeit operiert, aber gerade deswegen für die knallharten Berichte von der Nachrichtenfront prädestiniert ist. Dass er die gröbsten Spielregeln letztlich wahrt, ist dem ausgeprägten Berufsethos seiner Produzentin und guten Freundin Jane (Holly Hunter, Das Piano) zu verdanken. Sie versteht sich als Hüterin der journalistischen Integrität in einem Nachrichtenbetrieb, der mehr und mehr verroht.

Beruf kommt Berufung. Jane ist bereits als Kind eine leidenschaftliche Korrespondentin.
Beruf kommt Berufung. Jane ist bereits als Kind eine leidenschaftliche Korrespondentin.

“Spaß ersetzt keine Nachrichten!”

Als Rednerin auf einem Kongress warnt sie vor den Folgen zunehmender Profitgier, der Quotengläubigkeit und der Boulevardisierung in ihrem Gewerbe. Politische Berichte rückten in den Hintergrund, mahnt sie, stattdessen gewännen unterhaltende Meldungen an Bedeutung. Zum Beweis spielt sie Bilder ein, die am Vorabend gleich von fünf Sendungen zu den Top-News des Tages erhoben wurden: Szenen vom gestrigen Domino Day flimmern über die Leinwand. „Spaß ersetzt keine Nachrichten“, postuliert Jane Craig lautstark. Sie kommt kaum gegen das Gejohle im Plenum an – der Nachwuchs ist bereits auf Soft News geeicht.

Janes Tag ist gelaufen, da bahnt sich vielleicht doch noch eine angenehme Überraschung an. Tom (William Hurt, A History of Violence, Avengers-Reihe), inzwischen vom dicklichen Jungen zu einem stattlichen Beau herangewachsen, stellt sich der Rednerin vor. Ihr Vortrag habe ihn imponiert, gesteht er. Es knistert, die beiden verziehen sich auf Janes Hotelzimmer. Doch weil es ihnen nicht gelingt, den Flirt von der Jobebene loszueisen – Tom hat sich als Moderator geoutet, der ständig die Karrierleiter hochfalle, obwohl er keinerlei Ahnung von redaktioneller Arbeit besitze – kommt es nicht zum Abschluss. Ein falsches Wort, und Tom stürmt aus dem Raum.

Ist die Träne überhaupt echt? Der neue Moderator (William Hurt) fällt durch sentimentale Berichterstattung auf.
Ist die Träne überhaupt echt? Der neue Moderator (William Hurt) fällt durch sentimentale Berichterstattung auf.

Journalistische Niete – oder doch ein Volltreffer?

Beide ärgern sich über die verpasste Gelegenheit. Jane offensichtlich mehr noch als Tom, sie macht sich und ihre hohen Ansprüche für das Scheitern des Dates verantwortlich. Ja, dieser Tom ist zweifelsohne die Trivialität in Person, verrät sie Aaron am Telefon. Doch sie muss sich eingestehen, dass sie ein wenig verschossen ist. Kaum hat Jane aufgelegt, da klingelt es nochmal. Am Apparat ist Tom, der eine weitere Beichte ablegt: Ihr Kennenlernen war nämlich kein Zufall. Er habe sie ganz gezielt angesprochen, da sie ab morgen Kollegen im Sender seien.

Damit ändert sich für Jane alles. Einen One-Night-Stand mit dieser journalistischen Niete, den hätte sie sich noch zugestanden. Aber für ein gemeinsames Arbeiten, dafür sieht sie keine Basis. Anchormen wie Tom waren ihr und Aaron schon immer suspekt. In ihren Augen sind sie nichts weiter als schöne Nichtskönner, die die harte Arbeit hinter den News, die sie präsentieren, nicht zu schätzen wissen. Den Ruhm für fremde Recherchen jedoch heimsen sie sich nur allzu gerne ein. Ein Vorurteil, für das es phänomenologische Belege gibt: Journalist ist bekanntermaßen keine geschützte Berufsbezeichnung, eine einheitliche Ausbildung existiert in dieser Branche nicht. Dementsprechend ist das Bild des Journalisten in der öffentlichen Wahrnehmung ein diffuses. Die wenigsten Medienkonsumenten unterscheiden, ob jemand Neuigkeiten tatsächlich recherchiert, kommentiert oder bloß vorliest – wer sich im Umfeld eines Nachrichtenbetriebes verdingt, wird häufig auch als Journalist wahrgenommen.

Ein bekanntes Gesicht: Jack Nicholson in einer kleinen Nebenrolle spielt auch mit.
Ein bekanntes Gesicht: Jack Nicholson in einer kleinen Nebenrolle spielt auch mit.

Dreiecksbeziehung im Journalismus

Jane und Aaron scheinen in ihrer Ablehnung Tom gegenüber bestätigt, da dieser innerhalb kürzester Zeit vom Feldreporter zum Chefmoderator aufsteigt. Ein Karrieresprung, an dem sich Aaron schon seit Jahren versucht. Sechs Wochen lang war er im nordafrikanischen Lybien unterwegs, hat in Tripolis gelebt und Diktator Muammar al-Gaddafi interviewt – und doch darf Tom aus dem Stand die Sondersendung anlässlich eines lybischen Flugzeugangriffs auf einen US-Stützpunkt im Mittelmeer moderieren. Während der Reporter schmollt, findet die perfektionistisch veranlagte Produzentin insgeheim Gefallen an der knackigen Zusammenarbeit mit Tom, der ihren Recherchen mit seiner Präsentation Gravitas zu verleihen weiß. Und auch Tom an sich gefällt ihr immer besser…

Vordergründig ist Nachrichtenfieber eine romantische Dreiecksgeschichte vor der Kulisse eines hektischen Sendealltags. Jane steht zwischen den Stühlen. Sie muss sich entscheiden zwischen der Zuneigung für ihren Schwarm Tom und der Loyalität zu ihrem langjährigen Freund Aaron, der, wie wir erfahren, ebenfalls mehr für sie empfindet. Doch Nachrichtenfieber ist mehr als eine gefühlsbetonte Komödie. Die Beziehungskiste zwischen den drei Protagonisten ist auch eine Allegorie. Auf der nächsthöheren Ebene geht es um den ewigen Kampf zwischen publizistischer Verantwortung und Wirtschaftlichkeit im Journalismus. So stehen Aaron und Tom für zwei unterschiedliche Extreme in der Berichterstattung.

Bloß nicht: Jane fürchtet sich vor eine übermäßigen Inszenierung von Nachrichten. Auch noch im tiefsten Dschungel.
Bloß nicht: Jane fürchtet sich vor eine übermäßigen Inszenierung von Nachrichten. Auch noch im tiefsten Dschungel.

Verantwortung vs. Wirtschaftlichkeit

Aaron ist der Vertreter des intelligenten Journalisten, der – vom Idealismus der vierten Gewalt beseelt – am liebsten jeden einzelnen Finger in eine andere Wunde legen möchte. Einer, der seine Gatekeeper-Funktion sehr ernst nimmt, mit seiner umständlichen und belehrenden Art jedoch Gefahr läuft, die Bindung zum Publikum zu verlieren. Tom hingegen ist primär ein Verkäufer, der durchaus an die reinigende, regulierende Kraft des Journalismus glaubt. Doch in erster Linie zählt für ihn nicht die Botschaft, sondern die emotionale Wirkung, die eine Botschaft erzielt. Ob populistisches Aufreger-Thema oder gefühlsduselige Human Interest-Geschichte – solange die Zuschauer am Ball bleiben, und sich der Aufwand in Form von Quoten und Werbeerlöse auszahlt, ist jedes Mittel der Berichterstattung recht. Damit die Wahrheit mitten ins Herz trifft, ist es nur legitim, nachzuhelfen: Notfalls mit einer Träne, die der Interviewer aus sich herauswringt, während die Kamera sein Gesicht in der Nahaufnahme festhält.

Jane als Verkörperung eines journalistischen Gewissens weiß insgeheim, sie sollte sich lieber an die eingespielte Verbindung mit Aaron halten. Schließlich ist das, was der Reporter macht, aller Ehren wert. Sie ist sich aber auch bewusst, dass sie keine großen Sprünge macht, wenn sie sich an ihn bindet. Nachrichten sind ein umkämpftes Geschäft, wer um Zuschauer buhlt, muss sich immer mehr Gedanken um die Verpackung machen. Moderator Tom ist mit seiner Präsenz die perfekte Ergänzung. Für einen Moment erreicht die Berichterstattung in Nachrichtenfieber Idealzustand: Aaron recherchiert, Jane orchestriert, Tom serviert. Die Sendung ist auf dem Punkt. Aber nur, solange sich die Beteiligten auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren.

Aaron (Albert Brooks) fühlt sich eher im Hintergrund wohl. Weil aber Sparmaßnahmen drohen, versucht er als Moderator aufzufallen. Der Schuss geht nach hinten los.
Aaron (Albert Brooks) fühlt sich eher im Hintergrund wohl. Weil aber Sparmaßnahmen drohen, versucht er als Moderator aufzufallen. Der Schuss geht nach hinten los.

Von Egos und Sparmaßnahmen

Mit dem Ego kommt das Ungleichgewicht. Tom will nicht nur Ansager sein, er möchte eigenen Geschichten nachspüren. Seine erste Reportage handelt von sexueller Gewalt gegen Frauen, Stichwort: date rape, und ist ehrlich und gut gemeint – das einseitig geführte Betroffenheitsinterview mit einem Opfer und die Träne, die dem Fragesteller über die Wange kullert, sorgen jedoch für Befremden in der Redaktion. Umgekehrt drängt Aaron vor die Kamera – seine Premiere als Moderator gerät zum Desaster. Der Reporter liest stakkatoartig vom Teleprompter ab und bricht vor lauter Nervosität in Schweiß aus. Aaron muss feststellen: ganz so anspruchslos ist der Job von Tom dann doch nicht.

„Schuster bleib’ bei deinen Leisten“, könnte die Moral von der Geschichte lauten. Journalismus funktioniert nur im Kollektiv, und tatsächlich herrscht, solange man unter sich ist, im Nachrichtenteam eine familiäre Atmosphäre. Nach einer gelungenen Sendung klatschen sich Aufnahmeleiter und Tontechniker ab, der Kameramann klopft dem Moderator auf die Schulter, der Nachrichtenchef nimmt seine Produzentin väterlich in den Arm. Doch diese leidenschaftliche Truppe ist leider nur ein Mikrokosmos in einer großen Maschinerie, in der die üblichen Räder ineinander greifen.

Der Redaktionsbetrieb in Nachrichtenfieber ist ein Mikrokosmos für sich...es geht herzlich-wuselig zu.
Der Redaktionsbetrieb in Nachrichtenfieber ist ein Mikrokosmos für sich…es geht herzlich-wuselig zu.

Locker-flockig und doch ganz bitter

Unter den angekündigten Sparmaßnahmen zerbricht der Zusammenhalt, jeder muss selbst schauen, wo er bleibt. Deshalb erst scheren Tom und Aaron aus ihren Rollen aus. Tom, der hinter der affektierten Fassade unter extremer Unsicherheit leidet, will sich für höhere Aufgaben empfehlen; Aaron weiß, dass es bei Entlassungen häufig diejenigen trifft, die ihre Arbeit eher im Hintergrund verrichten. Sein Ausflug ins Moderatorenfach ist daher ein Versuch, sein Gesicht bei den Senderbossen in Erinnerung zu rufen. Verlierer ist die Qualität des Programms, und am Ende des Tages ist niemandem geholfen, weil die gesamte Abteilung dicht gemacht wird.

Der locker-flockige Ton mag es vielleicht überspielen, doch Nachrichtenfieber steckt voller bitterer Momente. Die besonders schwer wiegen, weil wir es nicht mit einer zynisch überzeichneten, ethisch vorkommenen Senderbelegschaft zu tun haben, wie wir sie aus Mediensatiren wie Network oder Nightcrawler, Mad City oder Money Monster kennen. In diesen Filmen ist das Kind namens Verantwortung bereits in den Brunnen gefallen, die zentrale Frage ist, ob es einzelnen Individuen in einer klassischen Verwandlung vom Saulus zum Paulus gelingt, dieses Kind irgendwie noch zu retten. In Nachrichtenfieber sehen wir engagierte Menschen mit guten Absichten dabei zu, wie sie versuchen, ihrer Bestimmung zu folgen, wie sie in ihrer Leidenschaft bereit sind, Entbehrungen in Kauf zu nehmen – und für diese Bereitschaft schließlich einen Arschtritt kassieren.

(K)Ein Happy-End: Tom, Aaron und Jane treffen sich nach Jahren der Trennung wieder. Aus allen ist was geworden, zumindest vordergründig.
(K)Ein Happy-End: Tom, Aaron und Jane treffen sich nach Jahren der Trennung wieder. Aus allen ist was geworden, zumindest vordergründig.

Kein Glück in der Berufung

Zwar fallen Jane, Tom und Aaron weich, alle arbeiten nach der Auflösung des Senders weiter im angestammten Job. Doch keiner von ihnen findet das Glück in der Berufung. Die letzte Szene führt die drei ehemaligen Freunde nach Jahren der Trennung am Rande einer Preisverleihung wieder zusammen: Aaron steht weiterhin beruflich in der zweiten Reihe, der Wadenbeißer hat zwar inzwischen Familie, seine Profession macht ihn aber nicht zum Hauptverdiener – seine Frau ist diejenige, die in der Weltgeschichte unterwegs ist. Tom ist ein gefeierter Moderator, fristet aber ein belangloses High Society-Dasein. Jane hat ihre Ansprüche, was die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben betrifft, arg herunterschrauben müssen. Eigentlich sucht sie einen Gegenpart, der ihr intellektuell das Wasser reichen kann und mit ihr den nächsten Scoop plant, einen partner in crime. Stattdessen datet sie, aus Angst zu vereinsamen, einen Typen, der sie auf schmucke, aber oberflächliche Bootstouren mitnimmt.

Nachrichtenfieber: Eine Drama-Queen mit Tiefgang

Für einen Moment herrscht Schweigen. Bevor sich ihre Wege wieder trennen, trauern sie gemeinsam einer perfekten Welt hinterher. Einer Welt, die journalistische Integrität, publizistische Verantwortung und Wirtschaftlichkeit vereint, die es so aber höchstwahrscheinlich niemals geben kann. Denn in einer Dreiecksbeziehung kommt einer früher oder später zu kurz.

Nachrichtenfieber ist einer dieser Filme, die den Journalismus menscheln lassen – und damit „echter“ wirken als mancher Streifen, der auf wahren Begebenheiten fußt. Ein Film, der in eine ähnliche Kerbe schlägt, ist Schlagzeilen von 1994. Diese Herangehensweise, der Verzicht auf einen echten Scoop, mag den Eindruck erwecken, es passiere wenig von Belang. Nachrichtenfieber gebärdet sich mit seinen geschliffenen Dialogen stellenweise wie eine sensible Drama-Queen. Darunter jedoch verbirgt sich ein erstaunlich differenzierter Blick auf die Branche. Drama und Bestandsaufnahme – eine Verbindung, welche die von 2012 bis 2014 ausgestrahlte Serie The Newsroom auf die Spitze trieb. So gut es tut, hin und wieder berichterstattende Heroen auf der Leinwand bei der Ausübung ihrer Pflicht zu betrachten – das reale Leben, der wirkliche Alltag von Journalisten sieht anders aus. Deshalb heben sich Filme wie Nachrichtenfieber wohltuend ab.


Nachrichtenfieber ist ein sympathischer Film über unsympathische Eigenheiten der Branche. Wer Serien wie The Newsroom mag, kann einen Blick riskieren. Du kannst den Film bei Amazon bestellen, wenn Du das über diesen Link hier tust, gibt es für journalistenfilme.de eine kleine Provision. Du zahlst natürlich nicht mehr, tust aber für den Fortbestand dieser Seite.

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