Max Mercy aus dem Baseball-Film Der Unbeugsame ist der Prototyp eines amoralischen und narzisstischen Sportreporters.
Max Mercy aus dem Baseball-Film Der Unbeugsame ist der Prototyp eines amoralischen und narzisstischen Sportreporters.
Der Unbeugsame ist auch filmhistorisch unverwüstlich: Die poetischen Bilder, die oft zitierten magic moments auf dem Spielfeld und die sentimentale, aber heimelige Heldenstory machen Barry Levinsons Baseball-Drama zu einem Klassiker des Sportfilms. „Nebenbei“ hat der Film einer ikonischen, wenn auch wenig schmeichelhaften Journalistenfigur auf die Leinwand verholfen.
Text: Patrick Torma. Bildmaterial: Sony Pictures.
Die Gnade steckt im Namen: Max Mercy (Robert Duvall, Network, Schlagzeilen) ist ein Macher. Ach was, ein Messias. Erst durch seinen Segen werden aufstrebende Spieler zu Stars. „Ich kann für den Jungen Wunder bewirken, wenn Sie mich lassen“, raunt der Reporter dem betagten Scout Sam Simpson (John Finnegan) zu. Soeben hat dessen Schützling, der 19-jährige Roy Hobbs (gespielt von einem 30 Jahre älterem Robert Redford, Die Unbestechlichen, Der Moment der Wahrheit) den besten Schlagmann der USA bei einem Kirmes-Wettstreit ins Aus geworfen. Am Vorabend – man sitzt zufällig im selben Zug nach Chicago, wo ein Tryout auf Hobbs wartet, Simpson versucht den Nachwuchsmann ins Gespräch zu bringen – wollte Mercy das Talent noch mit einem müden Ratschlag abzuspeisen: „Lass das Saufen und bleib sauber.“
Eine hoffnungsvolle Karriere wird ausgebremst
Nun aber wittert er die Chance, sich die Spielerentdeckung auf die eigene Fahne zu schreiben. Wir befinden uns in den 1920er-Jahren, da haben Reporter nicht immer gleich die Kamera zur Hand. Stattdessen illustriert Max Mercy seine Kolumnen mit Karikaturen: Noch am selben Abend greift er zum Stift, um den Triumph des No-Names über den Star festzuhalten. Hobbs steile Karriere scheint vorgezeichnet, wird jedoch durch einen Schicksalsschlag zunichte gemacht. Groupie Herriet (Barbara Hershey, Der Reporter) schießt den hoffnungsvollen Spieler nieder und begeht anschließend Selbstmord. Hobbs überlebt, doch der Traum vom Profi-Baseball ist zerplatzt.
Mercy sieht sich als Spielermacher – Hobbs hat er nicht kommen sehen
16 Jahre später bekommt Pop Fischer (Wilford Brimley, Die Sensationsreporterin) ein unbeschriebenes Blatt aufs Auge gedrückt. Der grantige Trainer der New York Knights lässt den 35-jährigen Rookie zunächst konsequent außen vor, gibt seine Sturheit nach einer langen Niederlagenserie aber schließlich auf. Hobbs erweist sich als Volltreffer und führt sein Team von Sieg zu Sieg. Die Sportwelt ist verblüfft. Berichterstatter Max Mercy, um dessen Erinnerungsvermögen es nicht sonderlich gut bestellt ist (offensichtlich hat er seinen eigenen Ratschlag zu selten befolgt), stehen die Fragezeichen ins Gesicht geschrieben. In welcher Versenkung hielt sich der Shooting Star bloß so lange versteckt? Und wie in aller Herrgottsnamen ist es ihm gelungen, einen solchen Aufstieg an seinem Urteil vorbei hinzulegen? Der Reporter versucht fortan mit allen Mitteln herauszufinden, wer Hobbs wirklich ist.
Max Mercy wühlt tief in der Vergangenheit des Spielers, der sich über seinen Werdegang bedeckt hält. Fragen nach seiner Herkunft weicht Hobbs aus, nicht nur, weil ihn die Schusswunde seine besten Jahre gekostet hat. Sondern weil er sich schämt, der erstbesten Verführung erlegen zu sein, obwohl seine Jugendliebe Iris (Glenn Close, Schlagzeilen) in der Heimat auf ihn wartete. Mercy lässt nicht locker: Er beschattet Hobbs, lauert ihm an den unmöglichsten Orten auf, um ihm unmoralische Angebote („5.000 Dollar Cash“) zu unterbreiten. Als die alte Verletzung aufbricht und Hobbs ins Krankenhaus eingeliefert wird, ist der Reporter nicht weit. Er hat inzwischen Polizeifotos vom Tatort des Selbstmordes aufgetrieben und konfrontiert Iris, die sich einen Weg zurück in Hobbs Leben erhofft, in pietätloser Weise mit den drastischen Bildern.
„Leute kommen und gehen. Ich bleibe länger hier als Sie…“
Doch es gelingt Mercy nicht, den Unbeugsamen zu brechen. Weshalb der Sportschreiber zu immer mafiöseren Methoden greift. Der Konflikt kulminiert in einem eindrucksvollen Dialog unmittelbar vor dem großen Entscheidungsspiel, in dem Mercy sein verqueres Selbstverständnis offenbart: „Leute kommen und gehen, Hobbs. Sie kommen und gehen. Ich bleibe länger hier als Sie oder jemand sonst. Ich bin hier, um dieses Spiel zu schützen. Und das mache ich, indem ich Leute wie sie aufbaue oder kaputtmache.“
Hörtipp: Max Mercy und Konsorten sind auch Thema einer Episode von journalistenfilme.de – der Podcast. Folge #25 befasst sich mit der Sportberichterstattung allgemein im Film.
Eine Drohung als letzte Patrone, die gleichzeitig Ausdruck einer Hilflosigkeit ist. Denn Hobbs hat es ohne das Protektorat des Reporters geschafft. Außerdem wissen wir etwas, was Mercy noch nicht ahnt. Egal, wie es ausgeht, Hobbs hat keine sportliche Zukunft mehr – die Spätfolgen seiner Schussverletzung gefährden seine Gesundheit aufs Massivste, schon jetzt läuft er gegen den Rat seiner Ärzte auf. Was nicht heißt, dass Hobbs damit frei von Druck wäre. Ganz im Gegenteil: Ihm ist wichtig, was die Leute später einmal von ihm denken. Mercys Geschreibsel allerdings braucht er nicht mehr zu fürchten. Entsprechend ist er in der Position, das Gewissen seines Gegenübers anzubohren. „Können Sie eigentlich Baseball spielen?“, will er von Mercy wissen. „Nein, kann ich nicht, Hobbs. Aber ich mache das Zuschauen etwas interessanter. Und morgen, ob sie nun Held sind oder Sündenbock: Liefern Sie mir eine gute Story, ok?“
Allmachtsfantasien eines Kritikers, der seine Stellung missbraucht
Nicht, dass es diese Zeilen noch bedurft hätte, Mercy als skrupellosen Opportunisten zu entlarven. Er ist jedoch vollends entblößt: Der Reporter, der von seinem hohen Ross der Pressetribüne aus über Wohl und Wehe ganzer Spielerbiopraphien entscheiden möchte – das ist die Allmachtsfantasie eines Kritikers, der seine Stellung missbraucht. Integrität ist kein Bestandteil seines Wertekorsetts, Mercys Handeln ist allein von egoistischen Motiven geprägt. Er besitzt keinerlei Interesse an einer objektiven Berichterstattung. Dem Finalspiel widmet er keine Aufmerksamkeit mehr, so sehr ist er darin vertieft, Hobbs ein Exempel seiner Macht zu statuieren. Das Spiel ist noch nicht vorbei, aber Mercy hat den Ausgang bereits vorgezeichnet. Sein neuestes Machwerk zeigt Hobbs als gehörnten Versager.
Sowohl seine krankhafte Auslegung seines Jobprofils als auch seine publizistischen Schandtaten machen Max Mercy nicht nur zu einer der schlimmsten Sportreporterfiguren, sondern darüber hinaus zu einem der widerwärtigsten Film-Journalisten, die das Kino je hervorgebracht hat. Umso symbolgewaltiger fällt der Triumph über den Machtmissbrauch der Medien aus: Der Unbeugsame schmettert einen Ball durch das Fenster von Mercys muckeliger Pressekabine. Schöner kann man die Stimmen seiner Kritiker nicht verstummen lassen.
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Der Unbeugsame ist sicher nicht der beste Sportfilm, aber einer der rundesten. Wer sich für das Thema Baseball erwärmen kann: Der Film ist bei einem großen Versandhaus erhältlich, und zwar über den folgenden Bildlink. Wenn Du darüber bestellst, unterstützt Du gleichzeitig dieses Projekt!
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