Die Außenministerin und der Journalist: Fred Flarsky (Seth Rogen) ist authentisch und besitzt als Leitartikler im Alternativmedium „The Advocate“
Die Außenministerin und der Journalist: Fred Flarsky (Seth Rogen) ist authentisch und besitzt als Leitartikler im Alternativmedium „The Advocate“ eine Stimme.
Nur manchmal hat er sich nicht Griff. Weswegen die berufliche Verbindung zu Jugendfreundin und Präsidentschaftskandidatin Charlotte Filed (Charlize Theron) zum Scheitern verurteilt ist. Doch in der Komödie Long Shot ist ein Happy End nicht nur „Unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich“ (so der deutsche Untertitel), sondern unvermeidbar.
Text: Patrick Torma. Bildmaterial: Studio Canal.
Long Shot beginnt mit einer verdeckten Recherche. Wir sehen dem jüdischen Hardcore-Undervover-Journalisten Fred Flarsky dabei zu, wie er einen Neonazi-Ring unterwandert – mehr Höhle des Löwen geht nicht (womit Flarsky auf den Spuren eines Yaron Svoray wandelt, siehe The Infiltrator). Um seine Tarnung zu wahren, ist er sogar bereit, sich ein Hakenkreuz stechen zu lassen, als eine der Glatzen den Journalisten anhand eines Artikels im Internet entlarvt. Verdammte neue Medien, mag sich Flarsky denken und hechtet wie ein Action-Held durch ein geschlossenes Fenster. Gerettet. „1:0 für die Juden!“, ruft der benommene Flarsky den bescheuert dreinschauenden Nazis oben am Fenster entgegen.
In der Redaktion angekommen, verwandelt sich sein süßer Sieg in eine bittere Niederlage. Dort erfährt er, dass sein Brötchengeber, die alternative Zeitung The Advocate, von einem großem Medienimperium geschluckt wurde. „Von Cannabisärzten und Escortdamen kann keine Zeitung leben“, wirbt sein Verleger mit Blick auf den schwächelnden Anzeigenmarkt um Verständnis. Doch der ur-idealistische Flarsky denkt gar nicht daran, die schwierige Finanzlage als Ausrede für den Ausverkauf gelten zu lassen. „The Advocate wurde gegründet, um die großen Medienkonzerne bloß zustellen. Jetzt sind wir selbst Teil eines großen Medienkonzerns!“, appelliert der Journalist an das schlechte Gewissen seines Chefs. Vergebens, der Deal ist vollzogen. Am Ende des Tages bzw. dieses Gesprächs erklärt Flarsky seine Kündigung.
Idealistischer Journalist trifft liberale Außenministerin
Derweil deutet sich auch im Weißen Haus ein Rücktritt an. President Chambers (wie immer grandios: Bob Odenkirk), der erste US-Präsident, der sich durch die Darstellung eines US-Präsidenten in einer TV-Serie für das höchste Amt empfohlen hat, ist amtsmüde geworden und möchte sich künftig einer großen Kinokarriere widmen. Deshalb sagt er Außenministerin Charlotte Field seine Unterstützung zu, sollte diese ihren Anspruch aufs Präsidentenamt formulieren. Tatsächlich hatte Field mit dem Gedanken gespielt, bei der übernächsten Wahl 2024 anzutreten – nun also wagt sie den Kaltstart. Ihre Beliebtheitswerte, die sind zwar im grünen Bereich. Ihr Humor allerdings lässt Umfragen zufolge jedoch zu wünschen übrig.
Auf einer Benefizparty treffen die Außenministerin und der arbeitslose Journalist aufeinander. Beide eint eine gemeinsame Vergangenheit und ein zarter Kuss – die 16-jährige Charlotte hatte seinerzeit als Babysitterin auf den 13-jährigen Fred aufgepasst. Das ungeplante Wiedersehen weckt die Schmetterlinge von damals. Charlotte Field sieht in Fred Flarsky gleichzeitig eine Chance aufs berufliche Vorankommen. Beeindruckt von seiner bissigen, aber tiefsinnigen Schreibe, engagiert sie den verfügbaren Flarsky als Ghostwriter, der fortan für die humoristischen Spitzen in ihren Reden sorgen soll. Der ziert sich zunächst aus idealistischen Gründen, glaubt aber an die hehren Absichten seines Schwarmes: Charlotte Field plant eine weitreichende Initiative zur Ausweitung des internationalen Klimaabkommens.
Long Shot verzichtet auf einen beruflich gelagerten Konflikt
Natürlich wird dieser Glaube in Long Shot noch auf die Probe gestellt. Wenig überraschend überwindet Liebe auch in diesem Film alles – sogar das Spannungsverhältnis zwischen Politik und Journalismus. Flarksy mag zwar, einmal in den Stab seiner Freundin aufgenommen, weiterhin auf seinen grundlegenden Idealismus pochen, er stellt aber de facto das Journalist-Sein ein.
Gerade die Einblicke in die internationale Politik und das damit verbundene Herrschaftswissen böten Möglichkeiten für einen beruflich gelagerten Interessenkonflikt. Flarsky lässt jedoch jeglichen Biss vermissen, der ihm in der Exposition unterstellt wurde. Der furchtlose Undercover-Reporter ist in Wahrheit ein pantoffeliger Tollpatsch – was aus geschlechtswissenschaftlicher Perspektive bemerkenswert und erfrischend sein mag, der Journalistenfigur jedoch jegliche Glaubwürdigkeit entzieht.
“Man muss kein Journalist sein, um die Welt zu verändern”
Als romantische Komödie konzentriert sich Long Shot lieber (und legitimerweise) darauf, eine sympathische „Die Schöne und das Biest“-Geschichte zu erzählen, die sich in ihren besten Momenten herrlich bissig gibt, in ihren schlechteren etwas arg platt an den Zeitgeist heranwanzt, mit wenig subtilen Verweisen auf die aktuelle Klimadebatte und die politische Stimmungslage im Weißen Haus unter Trump.
Zum Ende von Long Shot gibt der Idealist seine Berufung auf – ironischerweise nachdem Fred Flarsky darum kämpfte, seine unperfekte Identität zu wahren. Charlotte Field, hin und her gerissen zwischen der Liebe zu ihrem Seelenverwandten und den möglichen Implikationen für ihre Kandidatschaft, sollte ihre Beziehung zu ihrem vermeintlich wenig vorzeigbaren Freund publik werden, stellt erwartungsgemäß die Tragfähigkeit ihrer gemeinsamen Zukunftspläne infrage. Ihre Vertrauten legen Field nahe, wenn sie Flarsky schon nicht in den Wind schießen möchte, einen Imageberater für ihren nerdigen Partner zu engagieren. Doch Flarksy bleibt Flarsky – und ist plötzlich First Mister der Vereinigten Staaten. „Man muss kein Journalist sein, um die Welt zu verändern“, fasst Flarsky im Happy End zusammen. Man darf sich aber auch nicht wundern, wenn Journalisten den besser dotierten Jobs in der freien Wirtschaft nacheifern.
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