Vor Bochum war Das Boot: 1981 spielte Herbert Grönemeyer in Wolfgang Petersens maritimem Apocalypse Now den Kriegsberichterstatter Leutnant Werner.
Vor Bochum war Das Boot: 1981 spielte Herbert Grönemeyer in Wolfgang Petersens maritimem Apocalypse Now den Kriegsberichterstatter Leutnant Werner.
Als solcher geht er mit dem Unterseeboot U 96 auf Feindfahrt – und dabei folgender Frage auf den Grund: Wann ist ein Mann ein Mann?
Text: Patrick Torma. Bildmaterial: Bavaria Film.
Zur Person: Leutnant Werner ist ein grünschäbeliger Kriegsberichterstatter, der den Zweiten Weltkrieg bisher nur aus den glorreich-verklärenden Berichten der Wochenschauen kennt. Seine erste Feindfahrt steht bevor, an Bord des U 96. Nach einem ausschweifenden Gelage, bei dem es die blutjunge Crew unter den müden, aber verständnisvollen Augen des Herrn Kaleun – von allen nur „der Alte“ genannt – krachen lässt, läuft das Boot mit einem verkatertem Hurra aus. Euphorisiert von der Aussicht auf das große Abenteuer beginnt Leutnant Werner damit, Aufzeichnungen anzufertigen. Abgeschnitten von der Außenwelt, tief unter den Wassermassen des rauen Nordatlantiks, läuft das Hochgefühl jedoch bald auf Grund.
Zur Funktion: Die 1980er sind das Jahrzehnt des Kriegsreporters. Das Kino rückt die Figur verstärkt in den Mittelpunkt – in der Post-Vietnam-Ära braucht es schließlich jemanden, der die wahren Herrschaftsverhältnisse aufdröselt, und im Zuge dessen auch die Rolle der vermeintlich Guten hinterfragt. Under Fire, The Killing Fields oder Ein Jahr in der Hölle sind wichtige Vertreter des Subgenres der Kriegsreporterfilme. Obwohl Das Boot zu den bekanntesten deutschen Produktionen gehört und international große Erfolge feiert, zählt der Film nicht zu dieser Riege. Auch, weil er zeitlich aus dem Rahmen fällt. Er behandelt keinen – mehr oder minder – aktuellen bzw. übersehenen Konflikt. Der Film besitzt keinen akuten Aufklärungshintergrund.
Leutnant Werner ist kein Objektivierer
Leutnant Werner nimmt demnach eine wichtige, aber keinesfalls DIE zentrale Rolle in diesem Anti-Kriegs-Epos ein – legt man die Filmfassungen (Kinoversion und Director’s Cut) zugrunde. In der TV-Serie übernimmt Werner, der aus dem Off Teile seiner Aufzeichnungen wiedergibt, eine erzählend-kommentierende Funktion. Im Film ist er jedoch ein Mitglied unter vielen – und das in einer aus deutscher Sicht hochkarätig besetzten Besatzung. Erster Star ist das U-Boot; zweiter das Ensemble. Das Erzählen übernimmt die Kamera. Leutnant Werner als Repräsentant der journalistischen Zunft ist ohnehin kein Objektivierer. Ganz im Gegenteil. Er lässt uns ganz subjektiv den Stimmungsabfall im Schiffsinneren nachempfinden. Erst bröckelt der anfängliche Kriegsenthusiasmus, nach und nach schleicht sich Desillusionierung ein und am Ende regiert die nackte Angst.
Die Vorlage: Leutnant Werner ist das Alter Ego von Lothar-Günther Buchheim; Autor des Romans, auf dem Das Boot basiert. Buchheim ist selbst Kriegsberichterstatter, als er 1940 freiwillig in die Kriegsmarine eintritt. In dieser Funktion begleitet er im Herbst 1941 die siebte Feindfahrt des zur siebten U-Boot-Flotille gehörenden U 96. Die Erfahrungen sind so einschneidend, dass er über 25 Jahre benötigt, bis er die mentale Stärke findet, die Arbeit an seinem Buch aufzunehmen. 1973 wird es veröffentlicht.
Buchheim und Petersen kollidieren
Das Vermächtnis: Das Boot gilt als einer der größten Klassiker des deutschen Nachkriegsfilms. Der Film findet verdientermaßen ein großes Publikum. Lothar-Günther Buchheim hingegen kann sich mit Petersens Adaption nicht anfreunden. Dabei möchte er anfangs noch einen Beitrag zur Umsetzung leisten. Er schreibt eine erste Drehbuchfassung, die jedoch nicht verwendet wird. Es heißt, Buchheim reflektiere seine eigene Haltung zu wenig. Petersen setzt seinen eigenen Schwerpunkt: So unterschiedlich die einzelnen Fassungen sind – alle Versionen heben gleichsam die Diskrepanz zwischen den von Heldenmut geschwängerten Erwartungen und dem, was der Krieg wahrhaftig für diese jungen Männer bereit hält, hervor.
Petersen betont, er habe den Film primär für ein junges Publikum machen wollen. Dem Schriftsteller stoßen die dramaturgischen Verdichtungen und Freiheiten zugunsten einer massentauglichen Botschaft sauer auf. Das Boot sei ein “Kinderfilm”, schimpft er. Buchheim wird nicht der letzte Autor sein, mit dem sich Petersen überwirft. Schon bei seinem nächsten Film kracht er mit Michael Ende, dem Erfinder der Unendlichen Geschichte, zusammen. Auch Ende findet die Verfilmung seines Werkes scheußlich. Der Erfolg allerdings gibt Petersen Recht. Für den deutschen Regisseur bedeuten Das Boot und Die Unendliche Geschichte das Flugticket nach Hollywood.
—
Das Boot ist auch für seine unterschiedlichen Versionen berüchtigt, die allesamt ihren Reiz haben. Die Complete Edition versammelt sie alle. Sogar die Hörfassung von Buchheims Vorlage ist drauf.
COMMENTS