HomeAllgemein

Das Beste zum Schluss: Der journalistenfilme.de-Jahresrückblick 2021

Was waren meine liebsten Journalistenfilme in diesem Jahr? Welches Eure Lieblingsbeiträge? Eine kleine Bilanz zum Jahresausklang.

Dracula im Schloss des Schreckens (1971): (Kein) Interview mit Edgar Allen Poe
Scheiß auf die Feder, hier kommt das Schwert: Special Forces (2011)
Òlòtūre (2019): Undercover auf dem Strich

Was waren meine liebsten Journalistenfilme in diesem Jahr? Welches Eure Lieblingsbeiträge? Eine kleine Bilanz zum Jahresausklang.

2022 geht journalistenfilme.de ins verflixte siebte Jahr – in Menschenjahren gemessen, wird’s allmählich Zeit für die Midlife-Crisis. Wobei: In gewisser Weise hatte ich die Sinnfrage für diesen Blog ja schon Ende des vergangenen Jahres gestellt. 2020 war das Jahr mit dem bislang größten Output. Was freilich damit zu tun hatte, dass meine Rückkehr ins Freelancer-Dasein zufällig mit dem Auftakt einer gewissen Pandemie zusammenfiel. Statt beruflicher Freiheit also Kontakte-Knast. Der Blog wurde zum Rettungsanker. Und zum Gewinner der Krise.

Aus Frust ließ ich die Tasten glühen, rief einen regelmäßigen Podcast ins Leben, veröffentlichte im Herbst 2020 sogar mein allererstes Buch zum Thema Journalistenfilme. Was mich vor gut zwölf Monaten vor die Frage stellte: Wie soll ich dieses Pensum bloß aufrechterhalten? Nicht, dass mir Lust oder – Gott, bewahre – die Filme ausgingen. Aber irgendwann, so hoffte ich, würde ich mit meinem eigentlichen Business einen Fuß in die Tür mit der verheißungsvollen Aufschrift „regelmäßige Aufträge“ bekommen. Und wo kämen dann die Blog-Beiträge hier?

Es ist viel passiert …

Die „schlechte“ Nachricht: Das Auftragsbüchlein hat sich tatsächlich ganz ordentlich gefüllt. Mit Luft nach oben, sicherlich (falls Du zufällig auf der Suche nach einem freien Autoren bist, schau Dir doch mal mein Portfolio an), aber doch so, dass die Zeit für mein Herzensprojekt knapper wurde.

Die gute Nachricht: Davon sollten geneigte Stammleser*innen nicht allzu viel mitbekommen haben. Der Stehsatz war (und ist) nach dem Saure-Gurken-Jahr 2020 üppig bestückt, und noch gelingt es mir, meinen regelmäßigen Rhythmus mit aktuellen Beiträgen aus Bordmitteln beizubehalten. Was zumindest Hörer*innen meines Podcast-Formates aufgefallen ist: Leider musste ich die zweiwöchige Rotation aufweichen. Diese Schlagzahl war beim besten Willen nicht mehr leistbar. Aber ich denke, dass es den einzelnen Episoden nicht unbedingt schadet, wenn zwischen zwei Folgen keine 14-Tage sondern pi mal Daumen gute vier Wochen liegen.

Dass ich am Ball geblieben bin, liegt vor allem an Euch, Ihr treuen Stammleser*innen und fleißig Podcastlauscher*innen! Euer Interesse, konstruktives Feedback und Eure Unterstützung in Form von Filmtipps, Social Shares und kleinen Zuwendungen sind der Boost für dieses Projekt! Summa summarum schaue ich glücklich auf ein weiteres Jahr journalistenfilme.de zurück, in dem ich viele spannende Filme sehen und noch spannendere Menschen kennenlernen durfte. Daher lade ich Euch ein, mit mir zum Jahresende auf Eure und meine Highlights 2021 zu blicken.

Meistgelesen in 2021

Propaganda trifft TV-Geschichte: Mit Ich – Axel Cäsar Springer gab die DDR ihren Blick auf den mächtigsten Medienmogul der BRD preis. Bildmaterial: Hamburg Studio Enterprises.

Platz 3: BILD-Bashing & DDR-Propaganda: Ich – Axel Cäsar Springer (1968 bis 1970)

Dieser Axel Springer-Schmäh aus der DDR machte es mir nicht leicht. Weil ich mich zwischenzeitlich ganz schön durch diese fünfteilige Serie gequält habe, mit ihrer unverhohlenen Propaganda. Und weil die Beschäftigung mit einem Verlegerleben im Kontext deutsch-deutscher Geschichte einiges an Recherche verlangte. Umso mehr freut es mich, dass es dieser Riemen in die Jahres-Top 3 geschafft hat. Was sicherlich daran liegt, dass sich noch nicht allzu viele Blogger an diesem biografischen Verriss (in dem durchaus Bewunderung für den Klassenfeind schwelt) abgearbeitet haben. Vor allem aber an der freundlichen Erwähnung des Beitrags bei den 6 vor 9-Links des BILDBlog – besten Dank an dieser Stelle!

Die Dokumentation The Death of Kevin Carter gewährt Einblicke in das fragile Seelenleben eines Fotografen, der an seinem goldenen Schuss zerbricht.         

Platz 2: Tod eines Fotoreporters: The Death of Kevin Carter (2004)

Der hier entwickelt sich zum Evergreen-Content, wenn man das angesichts des traurigen Themas so sagen darf. The Death of Kevin Carter ist eine kleine, hierzulande unbekannte Dokumentation. Aber das Schicksal, das in knappen 30 Minuten porträtiert wird, bewegt: Kevin Carter gehörte dem legendären Bang Bang Club an, als Mitglied dieser Fotoreporter-Clique hielt er das gewaltsame Ausklingen der Apartheid in Südafrika fest. Sein berühmtestes Foto, für das er sogar mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde, schoss er allerdings in der sudanesischen Steppe. Die Aufnahme eines kauernden, ausgemergelten Kindes, das scheinbar gierig von einem Geier belagert wird, brannte sich als Symbolbild eines abgehängten Kontinents ins kollektive Gedächtnis ein. Inwiefern Carter an diesem – kontrovers diskutierten – Ruhm zerbrach, diese Frage geht der Film mithilfe von Wegbegleiter*innen nach.

Die Verfilmung Feuer im Kopf erzählt die Geschichte einer Journalistin, die ihr Leben aufgrund einer seltenen Hirnhautentzündung neu ordnen musste. Bildmaterial: Ascot Elite/Netflix.

Platz 1: Gefangen im eigenen Körper: Susannah Cahalan in Feuer im Kopf (2016)

Allmählich lässt sich ein Muster erkennen. Wahre Begebenheiten und reale Personen hinter den Filmen interessieren Euch anscheinend am meisten. Feuer im Kopf erzählt von der Journalistin Susannah Cahalan, die ihr Leben aufgrund einer seltenen Hirnhautentzündung neu ordnen musste. Der Netflix-Film ist unter formalen Gesichtspunkten grundsolide. Was die Protagonistin durchlebt(e), ist blanker Horror und bewundernswert zugleich. Indem Cahalan ihre eigene Leidensgeschichte publik machte, leistete sie einen Beitrag zur Medizin: Mit ihrem Buch Brain on Fire holte sie ihre Krankheit in die Öffentlichkeit – und sorgte so dafür, dass zahlreichen Betroffenen mit entsprechender Diagnostik frühzeitig geholfen werden konnte.

Meistgehört in 2021

Horst Schlämmer. Für die einen ist der leutselige Lokaljournalist aus Grevenbroich eine Kultfigur. Für die anderen eine schmerzhafte Erinnerung. Bildmaterial: Constantin Film.

Platz 3: journalistenfilme.de – der Podcast #29: Horst Schlämmer – Isch kandidiere (2009)

Dass ausgerechnet diese Folge recht weit oben in Eurer Gunst stand, hat mich auf dem ersten Blick überrascht. Mit etwas Abstand ergibt das Abschneiden dieser Episode, die wie eine offene Hose daherkommt, Sinn. Eine beliebte Kulturfigur als Aufhänger, eine Twitter-Ikone als Experte (Many thanks @DaxWerner), eine verwegene Arbeitsthese (Hat Horst Schlämmer eine Kleinstadt der Lächerlichkeit preisgegeben?), ein Grevenbroicher für die Betroffenheit (Grüße an meinen Bro Tobi!), veröffentlicht kurz vor der diesjährigen Bundestagswahl. Man könnte meinen, dieser Jux wäre perfekt lanciert. War tatsächlich eine Bierlaune. Darauf ein Doornkaat!

Die Satire Schtonk! arbeitet auf, wozu die Bonner Republik nicht in der Lage war. Bildmaterial: EuroVideo.

Platz 2: journalistenfilme.de – der Podcast #30: Schtonk! mit Drehbuchautor Ulrich Limmer

Hier wiederum habe ich sehr darauf gehofft, dass diese Episode mit zu den meistgehörten des Jahres aufschließt. Nicht nur, weil Schtonk! zu meinen absoluten Favoriten zählt und der reale Hintergrund – die Veröffentlichung der falschen Hitler-Tagebücher – ein Kapitel für sich ist (eines, das ich zwischen den Tagen mit der RTL-Serie Faking Hitler erneut aufschlagen werde). Für das sehr spannende Gespräch mit Drehbuchautor Ulrich Limmer bin ich eigens nach München gefahren – ein Auswärtsspiel, das mir nach Wochen des gepflegten Stubenhockens mega-mäßig viel Freude bereitet hat. Abgesehen von dem Schock, dass ich kurz glaubte, ich hätte meine eigene Aufnahme sabotiert …

Geht so investigativer Journalismus? Mit Jonathan Sachse vom Recherchezentrum CORRECTIV schauten wir uns den Oscar-Gewinner Spotlight an. Bildmaterial: Paramount.

Platz 1: journalistenfilme.de – der Podcast #22: Spotlight, CORRECTIV und investigativer Journalismus

Würde ich noch einige Tage mit diesem Rückblick hinterm Berg halten – womöglich fänden sich beide Podcast-Episoden mit CORRECTIV-Beteiligung in dieser Top 3 wieder. So hadert das Vierfach-Interview zur aktuellen ARTE/ZDF-Doku Auf der Spur des Geldes mit der Bürde der späten Veröffentlichung. Dafür landet die erste Folge des Jahres 2021 ganz oben auf dem Treppchen. Da steckt aber auch verdammt viel drin: Ein Filmgespräch über einen der bedeutendsten und akkuratesten Journalistenfilme der jüngeren Vergangenheit, vor allem aber jede Menge spannende Einblicke von Jonathan Sachse in die Arbeit moderner Investigativrecherchen.

Meine Top 5 Journalistenfilme

Diese Journalistenfilme haben in diesem Jahr nachhaltig Eindruck bei mir hinterlassen. Dabei handelt es sich nicht zwangsläufig um Veröffentlichungen aus diesem Jahr.

Die The French Dispatch-Redaktion rekrutiert sich aus renommierten wie exzentrischen Schreiber*innen.
Gestatten: Die The French Dispatch-Redaktion. Wes Andersons Spielfilm sprüht vor visueller Kreativität. Bildmaterial: Searchlight Pictures.

Platz 5: The French Dispatch:

Ein Film, an dem ich mich vermutlich nie sattsehen werde. The French Dispatch steckt voller visueller Einfälle. Die Kreativität, die Wes Anderson in seine Ehrerbietung an den Reportage-Journalismus der Marke „The New Yorker“ legt, bringen andere in einem kompletten Leben auf dem Regiestuhl nicht auf. Beispielsweise ist der Film wie ein Print-Magazin strukturiert. Über die inhaltliche Qualität der einzelnen „Reportagen“ lässt sich streiten und auch der journalistische Gehalt, aus Sicht dieses Blogs, ist eher dünn. Der Rest ist pure Kinomagie!

Stiefeln etwas sorglos nach Afghanistan: Jai und Suhel (Arshad Warsi und John Abraham) schlittern von einer brenzlichen Situation in die nächste.
Stiefeln sorglos durch Afghanistan: Jai und Suhel (Arshad Warsi und John Abraham) schlittern in Kabul Express von einer brenzlichen Situation in die nächste. Bildmaterial: Yash Rai Films.

Platz 4: Kabul Express:

Den hier hatte ich lange nicht auf dem Schirm. Bis Vera Wessel vom Bollywood Lifestyle Magazin ISHQ mir diesen Tipp servierte, in Vorbereitung auf unseren gemeinsamen Podcast über Journalistenfilme aus dem indischen Kino. Zwar habe ich ohnehin eine „Schwäche“ fürs Krisenkino. Kabul Express macht aber vieles anders als die meisten Kriegsreporterstreifen. Allein, dass es ihm gelingt, die Komplexität des Afghanistan-Krieges in einer Fahrgastzelle zu verdichten, hebt diesen Film von der Masse ab. Besprechung folgt bald, versprochen!

A Taxi Driver basiert auf wahren Begebenheiten, die Eckdaten der Reporter-Reise sind verbürgt - alles drumherum, die zwischenmenschlichen Geschichten sind der Imagination der Autoren entspurgen.
A Taxi Driver basiert auf wahren Begebenheiten: Inspiriert ist der Film von dem Einsatz mutiger Menschen, die den Aufstand in Gwangju im damals noch autokratischen Südkorea publik machten. Bildmaterial: Showbox Entertainment.

Platz 3: A Taxi Driver:

Ihr wisst ja, ich bin äußerst pingelig, wenn ich historische Stoffe vorgesetzt bekomme, die durch den Fleischwolf der Fiktion gedreht wurden. A Taxi Driver geht sehr offen mit seiner Fiktionalisierung um und weiß deshalb die tragischen Geburtsschmerzen der südkoreanischen Demokratie zu achten. Der Film basiert auf der wahren Geschichte des ARD-Reporters Jürgen Hinzpeter, der die Welt auf die brutale Niederschlagung der Bürgerproteste in der Stadt Gwangju im Jahre 1980 aufmerksam machte. Mitreißend!

Der überkritische Journalist Vogel (Matthew Rhys) trifft auf den überfreundlichen TV-Star Mr. Rogers (Tom Hanks). Hat der Fernseh-Großvater etwas zu verbergen?
Der zynische Journalist Vogel (Matthew Rhys) trifft auf den überfreundlichen TV-Star Mr. Rogers (Tom Hanks). Hat der Fernseh-Großvater was zu verbergen? Bildmaterial: Sony.

Platz 2: Der wunderbare Mr. Rogers:

Auch hier wird eine reale Begebenheit auf wahrlich wunderbare Weise fiktionalisiert. Der zynische Reporter Lloyd Vogel soll den Kinder-TV-Star Mr. Rogers (gespielt von einem beängstigend guten Tom Hanks) interviewen. Dessen unerschütterlicher Optimismus scheint ihm reichlich suspekt. Gewillt, die vermeintliche Fassade seines Gegenübers einzureißen, blickt Vogel schließlich in sein eigenes Inneres. Mehr Wohlfühl-Movie als Journalistenfilm, ist Der wunderbare Mr. Rogers ein herzerwärmender Streifen für Tage, an denen alles doof scheint.

Mirela Neag und Cătălin Tolontan von der Sportzeitung Gazeta Sporturilor fragen sich, warum so viele Überlebende in den rumänischen Krankenhäuser sterben mussten.
Mirela Neag und Cătălin Tolontan von der Sportzeitung Gazeta Sporturilor decken in Colectiv einen schier unfassbaren Gesundheitsskandal auf. Bildmaterial: Magnolia Pictures.

Platz 1: Colectiv:

Als Stimmungsaufheller taugt Colectiv beileibe nicht. Die Dokumentation von Filmemacher Alexander Nanau blickt in die Abgründe einer rumänischen Politik, die Profit über Menschenleben stellt. Es beginnt mit einem Brand in einer Bukarester Diskothek (und Bildern, die mich wochenlang nicht losließen) und mündet in einem unfassbaren Gesundheitsskandal, der den Glauben an das Gute in dieser Welt erschüttert. Für zarte Silberstreifen am wolkenverhangenen Horizont sorgen eine Sportzeitung, die die investigative Arbeit aufnimmt, ein idealistisch gepolter Plötzlich-Minister, der den verkrusteten Strukturen den Kampf ansagt, und eine Überlebende, die sich bei der Bewältigung ihrer Traumata nicht vom Hass leiten lässt. Was Nanau mit der Kamera einfängt, kann sich niemand ausdenken. Bedrückend, aufwühlend, wichtig. Der beste Journalistenfilm des Jahres.

Was waren Eure Highlights 2021?

Und jetzt Ihr! Welcher Journalistenfilm hat Euch in diesem Jahr am meisten beeindruckt? Welche Beiträge, welche Podcast-Episoden auf journalistenfilme.de haben Euch besonders gefallen? Welche Filme vermisst Ihr hier auf diesem Blog dringend? Was sind Themen, die Euch besonders reizen?

Über Feedback in den Kommentaren freue ich mich sehr – gerne greife ich Eure Anregungen für das Programm 2022 auf. Denn eines habe ich mir fest vorgenommen: Es im verflixten siebten Jahr gar nicht erst zur Midlife-Crisis kommenzulassen!

COMMENTS

WORDPRESS: 0
DISQUS: 0