„Hüte dich vor den Iden des März!“ - George Clooney inszeniert in The Ides of March – Tage des Verrats die Politik als Schlangengrube.
„Hüte dich vor den Iden des März!“ – George Clooney inszeniert in The Ides of March – Tage des Verrats die Politik als Schlangengrube.
Ideale werden von den gierigsten Nattern schnell verschlungen. Was zählt, sind Mehrheiten und Machbarkeiten. Mittendrin: Der Journalismus als Blindschleiche, die um einen Sitzplatz am Spieltisch der Macht züngelt.
Text: Patrick Torma. Bildmaterial: Columbia Pictures.
Zu Beginn sitzt es noch einmütig-konspirativ zusammen: Das Triumvirat, das die US-Präsidentschaftskandidatur des Demokraten Mike Morris (gespielt von Regisseur George Clooney) bei den Vorwahlen eintüten soll. Wahlkampfleiter Paul Zara (Philip Seymour Hoffman), Junior Campaign Manager Stephen Meyers (Ryan Gosling) und New York Times-Reporterin Ida Horowicz (Marisa Tomei). Man bespricht sich, lässt zwei, drei Drink perlen. Als Appetitanreger serviert Zara ein paar informelle Gabelbissen für Horowicz. „Mehr gibt es heute nicht“, hält der Strippenzieher die Journalistin warm. Flugs ist klar: Die Tischpartner geben sich kollegial, die ihre Verbindung jedoch ist rein pragmatischer Natur.
Regelmäßige Leser dieses Blogs wissen, dass Journalistinnen in Hollywood-Filmen nicht immer wohl gelitten sind. Die Gefahr ist groß, dass sie als Männer verzehrende Informationserschleicherinnen auftreten. Ida Horowicz ist eine taffe Frau, die um ihr Abhängigkeitsverhältnis zu den Männern im Business weiß, ohne in die dramaturgisch einfallslose wie herabwürdigende Sexfalle zu tappen. Grundsätzlich begegnet sie ihren Mit- und Gegenspielern auf Augenhöhe, wodurch sie wie eine wohltuende Ausnahme durch den Sumpf der Stereotypen watet.
Tragische Journalistenfigur
Gleichwohl präsentiert uns The Ides of March kein glückliches Abbild der schreibenden Zunft. Die Reporterin ist angewiesen, die stets sich verschiebenden Kräfteverhältnisse zu antizipieren, um beruflich zu profitieren, sprich: um an heiße Infos für prestigeträchtige Seite 1-Stories heranzukommen. Beziehungen sind in diesem Umfeld lediglich Zweckgemeinschaften; Werte wie Loyalität und Freundschaft nichts als Ballast. Ida Horowicz Arbeitsalltag ist ein entmenschlichter, was sie zu einer tragischen (Journalisten-)Figur macht.
Freilich: Diese tragische Komponente hat sie nicht exklusiv gepachtet. Jede Figur in The Ides of March gibt auf ihre Art und Weise Persönlichkeit auf: Paul Zara, der feststellt, dass seine Prinzipien und Vorsätze antiquiert sind. Mike Morris, der sich in diverse Kuhhandel hat drängen lassen, noch bevor er die ersten Meter seines Weges in die Spitzenpolitik bewältigen konnte. Protagonist Stephen Meyers, der anfangs noch an die gerechte, demokratische Sache glaubt, mit mehr und mehr Einblick ins Geschäft jedoch zum Egomanen mutiert. Dort, wo mit Macht hantiert wird, ist es schwer, die eigenen Wertmaßstäbe zu erhalten.
Fingerzeig an Barack Obama
Mit dieser Botschaft im Gepäck geriet The Ides of March auch zum Fingerzeig an den seinerzeit amtierenden US-Präsidenten, Barack Obama. Im Wahlkampf noch hatte Clooney den demokratischen Hoffnungsträger aus Hawaii unterstützt, und sogar die Verfilmung polit-pessimistscher Stoffe hintenan gestellt. Wenige Monate nach dessen Vereidigung adaptierte der Edel-Fan das Theaterstück Farragut North, welches lose auf dem 2004er-Wahlkampf des Demokraten Howard Dean fußt. Bereits in den ersten Monaten seiner Amtszeit durch mutlose Zugeständnisse entzaubert, ist The Ides of March so etwas wie ein filmisches „Misstrauensvotum gegenüber Obama“ im Speziellen, aber auch gegenüber der Politik im Allgemeinen. Tenor: Die Politbühne kriegt jeden noch so standhaften Weltverbesserer klein. Und am Ende ist es ohnehin egal, welches Gesicht die Menschen wählen: Die Mächtigen im Hintergrund bleiben schließlich dieselben. Im Film wanzen sich sowohl Morris als auch sein Kontrahent an den einflussreichen Senator Thompson (Jeffrey Wright, Felix Leiter in James Bond – Casino Royale) heran. Beide buhlen mit unmoralisch hohen Kabinettwürden um dessen Unterstützung. Die Szene verdeutlicht: Es ist unerheblich, wer das Rennen macht – Thompson wird der lachende Dritte sein.
The Ides of March ist ein reichlich zynischer Streifen, der keine Seite vorteilhaft davonkommen lässt. Das gilt auch, aber vor allem für Ida Horowicz: Die Journalistin gibt sich Mühe in ihrem Job, letztlich ernährt sie sich nur von den Tischresten der Spindoktoren, die ihre Aas-Happen absichtlich fallen lassen, in der Absicht, kompromittierendes Material zu lancieren und der Gegenseite zu schaden. Ida Horowicz ist nicht naiv genug, um nicht zu wissen, wie ihr mitgespielt wird. Sie macht allerdings keine Anstalten, aus diesem Spiel auszusteigen. Ohne die Handlung des Film in allen Einzelheiten nachzuerzählen: Im Verlauf des Films kommt es zum Zerwürfnis zwischen Morris’ Vorzeige-Strategen. Mentor Zara informiert Horowicz über ein heimliches Treffen seines Schülers Meyers mit dem Wahlkampfleiter der Konkurrenz, dabei soll auch ein möglicher Seitenwechsel zur Sprache gekommen sein. Meyers Zeit in Morris’ Team scheint abgelaufen.
Kleines Rädchen in einer Intrige
Die Journalistin konfrontiert Meyers, er möge doch bitte Stellung zu den Vorfällen nehmen. Wenn er dies nicht tue, erscheine die Geschichte eben ohne seinen Kommentar. Meyers fällt aus allen Wolken. Schließlich hat er sich im Hintergrund aufgerieben, um Mike Morris schadlos durch die Kampagne zu manövrieren. Das Treffen kann er nicht leugnen. Auch die Offerte nicht. Doch hat Meyers diese mit Verweis auf seine Überzeugungen abgelehnt. Hinzu kommt: Zaras Verrat erfolgte aus der Angst heraus, die ein Lehrer verspürt, wenn ihm der eifrige Schüler im Nacken sitzt – und wurde obendrein perfide vom gegnerischen Kampagnen-Manager Tom Duffy (Paul Giamatti) eingefädelt. Doch auf diese Details kommt es in diesem Business nicht an. Meyers bittet Horowicz um Diskretion, doch die Journalistin lässt dieses Gesuch ins Leere laufen. Sie wähnt sich auf der sicheren Seite, auf der Seite der Gewinner. Dabei ist sie nur Mittel zum Zweck, ein kleines Rädchen in einer schmutzigen Intrige.
Das Traurige daran ist: Solange sie auf diese Weise genügend Stoff hortet, den sie zu Titelgeschichten verweben kann, nimmt sie diese Rolle in Kauf. Diesmal allerdings hat sie auf das falsche Pferd gesetzt. Stephen Meyers wendet seine Demission ab und schickt stattdessen seinen Chef in die Rente respektive in die freie Wirtschaft. „Du hast mich ganz schön alt aussehen lassen“, passt Ida Horowicz den neuen Hauptberater des aussichtsreichen US-Präsidentschaftskandidaten (denn auch Morris’ Sieg in den Vorwahlen hat Meyers gut hinbekommen) auf dem Flur ab. „Komm’ schon, sind wir etwa keine Freunde mehr?“, biedert sie sich an, die alte Seilschaft wieder aufleben zu lassen. „Ida, Du bist meine beste Freundin“, entgegnet Meyers vielsagend gleichgültig. Ein Rückkehr an den Hinterzimmertisch gibt es für Horowicz nicht mehr.
(Über-)Leben in der Schlangengrube
Ida Horowicz ist weit entfernt davon, eine durchtriebene Karrieristen zu sein. Aber: Sie ist eine Fahne im Winde, weswegen sie am Ende reichlich angeschmiert dasteht. Gleichwohl geht es in The Ides of March nicht um einzelne Figuren, es geht um das korrupte Wechselspiel zwischen Politik und Medien als solches. Die Botschaft: In dieser Schlangengrube überleben nur jene Schlangen, die bereit sind, sich den Gepflogenheiten anzupassen.
Bleiben wir aber nochmal kurz bei der Einzelperson: Ida* ist eine Figur zwischen den Stühlen. Sie ist Mitverschwörerin, aber keine Eingeweihte. Dafür war und ist sie als Sprachrohr zu auswechselbar. Da sie bei einer renommierten Zeitung angestellt ist, verleiht ihr ein gewisses Standing. Doch Standing allein reicht nicht. Horowicz weiß, dass genügend Kollegen darauf erpicht sind, die lancierten Häppchen aufzuschnappen. Wenn sie die Geschichte nicht schreibt, schreibt sie halt jemand anderes. Die Presse als lauernde Meute ist ein Bild, das der Film im Rahmen seiner Binnenberichterstattung immer wieder bemüht. Ida Horowicz ist eine Mitläuferin, die hofft, vom Sog kometenhafter Aufstiege zu profitieren. Und damit ein gefundenes Vehikel für die eigentlichen Verschwörer. Was sie natürlich nicht vor dem Gelackmeiertsein schützt. Dafür ist Horowicz wiederum zu berechnend.
* Ein sprechender Name? Ides, englisch für Iden – das sind spezielle Tage, die im römischen Kalender Tage in der Monatsmitte bezeichnen. Kaiser Julius Cäsar soll angeblich mit den Worten „Hüte Dich vor den Iden des März“ vor seiner Ermordung am 15. März 44 v. Chr. gewarnt worden sein.
Scheinoffenheit im Inner Circle
Jenseits dieser traurigen Vorstellung wirft The Ides of March in der Figur der Horowicz Fragen auf, über die es sich lohnt nachzudenken. Wie viel Nähe darf sich ein Journalist erlauben? Wie viel Distanz muss er wahren? Politiker und Berichterstatter sind, wenig überraschend, voneinander abhängig. Ohne Politiker, keine Politberichterstattung – ohne Journalisten, keine Öffentlichkeit für Politiker. Ob dieser Determinismus im Zeitalter von Social Media noch Gültigkeit besitzt, sei dahingestellt und ist eine spannende Frage für sich. Klar ist: Beide Seiten verfolgen eine Schnittmenge von Interessen. Weswegen Politiker und Journalisten gerne informell an einem Tisch sitzen. Manchmal ist sogar Sympathie dabei im Spiel.
Mancher Kollege fühlt sich geschmeichelt, wenn er in vermeintlich erlesenen Zirkeln unterwegs sein darf. Dabei sollte man sich keiner Illusion hingeben, was den beruflichen Rahmen dieser Runden betrifft. Hintergrundgespräche sind häufig von einer Scheinoffenheit geprägt. Verraten wird nur, was nützt – und woraus sich möglichst kein Strick drehen lässt. Ida Horowicz befindet sich in The Ides of March zu keinem Zeitpunkt im so genannten Inner Circle. Nicht zu Beginn, wo sie zwar mit am Tisch sitzt, aber informationstechnisch an Paul Zaras Tropf hängt (zugegeben, wir sehen nicht, aus welchen Quellen sie sonst so schöpft). Auch nicht zur Mitte des Films, als sie sich im Hoheitswissen wähnt: Tatsächlich weiß sie nur das, was Zara sie wissen lassen will. Am Ende wird sie vom Sicherheitspersonal an der Schwelle der Tür zur Macht abgewiesen. Wie ein unliebsamer Groupie vor dem Backstage-Bereich.
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