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Todesfalle True Crime: Halloween (2018)

Reporter reizen eine Horror-Ikone. Halloween setzt auf journalistischen Support, um eine 40 Jahre alte Vorgeschichte in Erinnerung zu rufen.

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Reporter reizen eine Horror-Ikone. Halloween setzt auf journalistischen Support, um eine 40 Jahre alte Vorgeschichte in Erinnerung zu rufen.

Die Story fortschreiben dürfen die Rechercheure allerdings nicht. Denn sie haben gesündigt.

Text: Patrick Torma. Bildmaterial: Universal.

1978 definiert John Carpenter mit Halloween – Die Nacht des Grauens den Slasher-Film. Ein Meisterwerk, das die Konventionen des Genres festlegt und als Blaupause für künftige Beiträge dient. Der Film erzählt die Geschichte des Psychopathen Michael Meyers, der im zarten Alter von sechs Jahren seine Schwester umbrachte. Der behandelnde Psychiater Dr. Loomis bescheinigt seinem Patienten das „absolut Böse“. Dieser Michael Myers bricht 15 Jahre später aus und tötet just zu Halloween fünf Menschen. Die jugendliche Babysitterin Laurie Strode bringt den Killer ins Straucheln, der nach einem Sturz von der Balustrade spurlos verschwunden bleibt.

Das Ende lässt ein Hintertürchen für Fortsetzungen offen, die sich in den Folgejahren zahlreich durch diese Pforte zwängen. Von 1981 bis 1998 kehrt Michael Myers sechsmal zurück (Teil 3 lässt zwischenzeitlich von der Figur ab), die Nachfolger konstruieren eine abstruse Lore mit verworrenen Verwandtschaftsverhältnissen und noch absurderen Motiven für die Mordgelüste des Antagonisten. Rob Zombie spendiert der Reihe 2007 einen Reboot, die dem Charakter mehr Profil verleiht, mit seinem eigenen Sequel aber direkt wieder Sympathien verspielt.

Gewagtes Schachbild: Journalist Aaron versucht Michael Myers konfrontativ matt zu setzen. Doch der befreit sich mithilfe einer Rochade. Bildmaterial: Universal Pictures.
Gewagtes Schachspiel: Journalist Aaron versucht Michael Myers mit psychologischen Tricks matt zu setzen. Doch der Serienmörder denkt etliche Spielzüge voraus.

Zwei Reporter besuchen Michael Myers in der Nervenklinik

Die 2018er Iteration versteht sich als unmittelbare Fortsetzung des ersten Films von 1978 und blendet folglich alle Entwicklungen in der Zeit dazwischen aus. Myers wurde nach der ersten Todesnacht in Haddonfield von der Polizei verhaftet und ist seitdem in der Obhut der Behörden verblieben. 40 Jahre später geht ein Verlegungstransport mächtig schief und Myers ist wieder auf freiem Fuße. Laurie Strode, inzwischen Großmutter, sieht die Chance auf eine letzte Konfrontation gekommen.

Zu Beginn von Halloween sitzen wir mit zwei True Crime-Reportern im Auto. Aaron Korey (Jefferson Hall) und Dana Haines (Rhian Rees) befinden sich auf Recherche-Tour für ihren Podcast (der hervorragend performt, wie wir gleich annehmen müssen). Ziel ist eine Nervenklinik, in der Michael Myers sicherheitsverwahrt wird. Der behandelnde Arzt, Dr. Sartain, hat über die Jahre versucht, zu seinem Patienten durchzudringen, um mehr über dessen Psyche zu erfahren, stieß aber auf Granit (oder Hohlräume im Oberstübchen). Weshalb er sehr daran interessiert ist, dass es nun mal ein Reporter-Pärchen versucht.

Dana und Aaron - zwei preisgekrönte Investigativjournalisten mit eigenem True Crime-Podcast oder doch nur Leidjunkies?
Dana und Aaron – zwei preisgekrönte Investigativjournalisten mit eigenem True Crime-Podcast oder doch nur Leidjunkies?

Grenzüberschreitungen bei der Podcast-Recherche

Die beiden Rechercheure greifen tief in die psychologische Trickkiste. Aaron zückt tatsächlich die alte Maske des Serienmörders, mit freundlichen Grüßen seines Freundes bei der Staatsanwaltschaft, der ihm dieses wichtige Beweisstück zum Zwecke der Patientenbelästigung überlassen hat. Nicht, dass man Mitleid mit Michael Myers haben müsste, aber einem geisteskranken Killer den Spiegel vorzuhalten und ihn dabei mit provozierendem Geschwurbel einzudecken („Ihre Maske – können Sie sie fühlen?“) erscheint mir nicht gerade ratsam. Dr. Sartain jedenfalls ärgert sich, dass er selbst noch nicht auf diese Idee gekommen ist und lässt den Besuch gewähren.

Laurie Strode (Jamie Lee Curtis) weiß sich zu wehren. Auch gegen aufdringliche Reporter.
Laurie Strode (Jamie Lee Curtis) weiß sich zu wehren. Auch gegen aufdringliche Reporter.

Plan B ist ein Exklusiv-Interview mit der Überlebenden Laurie Strode

Myers allerdings ist ganz Medien-Profi und bleibt cool. Weswegen die Reporter enttäuscht abziehen. Einen Plan B haben sie in der Hinterhand. „Das Monster hat ein anderes Monster geschaffen“, säuselt Aaron in sein Diktiergerät und meint damit Laurie Strode (erneut gespielt von Jamie Lee Curtis). Das Duo hält vor der Einfahrt des Anwesens, das die schwer traumatisierte Überlebende zu einer Bastion ausgebaut hat. „Journalisten zahlen nicht für Interviews“, mahnt Aaron noch, doch weil Laurie keine Anstalten macht, den Türsummer zu betätigen, wedelt Dana mit dem Scheckbuch: „Wie klingen 3.000 Dollar?“ Wie gesagt, ihr Podcast muss anscheinend eine Menge abwerfen.

Laurie gewährt den Journalisten Eintritt, signalisiert aber nicht gerade Gesprächsbereitschaft. „Michael Myers hat fünf Menschen ermordet. Wir müssen ihn verstehen“, gaukelt Aaron öffentliches Interesse vor. „Wir müssen den Fall wieder aufrollen und analysieren“, pflichtet Dana bei, als handle es sich bei den Vorfällen von Haddonfield um die einzig relevante Mordserie der vergangenen 40 Jahre. „Es gibt rein gar nichts zu lernen“, kontert Laurie folgerichtig. Der beiläufige Hinweis auf die preisgekrönten Radiofeatures des Gespanns beeindruckt sie nicht im Geringsten.

40 Jahre nach der ersten Nacht des Grauens geht Myers wieder auf die Jagd. Die Journalisten Aaron & Dana stimmen uns auf diese Wiederholung ein.
40 Jahre nach der ersten Nacht des Grauens geht Myers wieder auf die Jagd. Die Journalisten Aaron & Dana stimmen uns auf diese Wiederholung ein.

Sexualisierte Berichterstattung als Todsünde in Halloween

An der Aufrichtigkeit der beiden Reporter bestehen erhebliche Zweifel. Das True Crime-Genre ist ohnehin ein schmaler Grat zwischen journalistischer Aufarbeitung und der Befriedigung voyeuristischer Gelüste. In einer weiteren Szene begleiten wir die Ausflügler auf einen Friedhof, wo sie sich wie zwei Leidjunkies über das Grab eines Mordopfers von damals beugen. Morbide erregt flötet Aaron ein paar reißerische Takte in sein Aufnahmegerät. Die sexuelle Konnotation ist in einem Horrorfilm wie Halloween gewollt – die Sensationslust der sündigen Reporter wird so sanktionsfähig. Der nächste Halt endet tödlich.

Mehr Journalist*innen in Horrorfilmen gibt es hier: GruselpresseReturn of the Gruselpresse & Gruselpresse III: Resurrection.

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An einer Tankstelle treffen Aaron und Dana auf Michael Myers, der das mit der Bestrafung selbst in die Hand nimmt. Der Tod durch das Objekt der Begierde ist ein selbstverschuldeter. Ihre erzählerische Funktion haben sie zu diesem Zeitpunkt eingebüßt, waren die Reporter dazu da, uns nach über 40 Jahren auf den Stand des ersten Filmes zu bringen. Manche Geschichten lässt man besser ruhen. Was ausdrücklich nicht für diese neuerliche Zäsur im Halloween-Franchise gilt.


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