Passend zu unserem Podcast zu Piratensender Powerplay: Wir haben uns auf der Kurzwelle umgehört und Filme über Piratensender gesammelt.
Passend zu unserem Podcast zu Piratensender Powerplay: Wir haben uns auf der Kurzwelle umgehört und Filme über Piratensender gesammelt.
Freibeuter-Funk im Film: Radio Rock Revolution ist sicher die bekannteste Kino-Hommage an das Phänomen der Piratensender. Als die Wellen geentert wurden, um gegen die verknöcherten, öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten zu rebellieren. Welche weiteren Streifen gibt es noch? Wir haben uns auf der Kurzwelle umgehört und Filme über Piratensender aus aller Welt gesammelt.
Piratensender Powerplay (Deutschland, 1982)
Mit den Supernasen fängt alles an. In der aktuellen Episode von journalistenfilme.de – der Podcast kramen wir den ersten Teil der in den 1980er-Jahren ungemein beliebten Filmreihe hervor. Heute kaum vorstellbar, war Piratensender Powerplay* der erfolgreichste deutsche Film des Kinojahres 1982. Na gut, ein wenig nachvollziehbar ist der Erfolg rückblickend schon noch. Schließlich sind die Streiche der rockenden und rollenden Radio-Nasen Thommy (Thomas Gottschalk) und Mike (Mike Krüger) Ausdruck eines jugendlichen Aufbegehrens gegen die piefigen Ansagen des Spießbürgertums.
Die Handlung: Zwei Amateure treiben mit ihrem Piratensender Powerplay den Bayrischen Rundfunk zur Weißglut. Der knorrige Radioverantwortliche Dr. Müller-Hammeldorf macht mithilfe von Polizei und Bundespost Jagd auf den Störsender. Doch dank eines fahrbaren Untersatzes sind die beiden Sittenstrolche den Behörden immer einen Jingle voraus.
Radio Rock Revolution (GB, 2009)
Weil er beim Naschen von Drogen erwischt wird, fliegt Carl von der Schule. Seine Mutter macht daraufhin eine Ferienfreizeit auf dem Kahn von Patenonkel Quentin klar. Schrubben an Deck und Schuften in der Kombüse sollen dem Jungen die Flausen austreiben. Was Mama nicht ahnt: Quentin betreibt auf seinem Boot in den internationalen Gewässern vor der britischen Küste einen Piratensender. An Bord sorgen Sex, Drugs & Rock ‘n’ Roll für Heiterkeit.
Radio Rock Revolution* (OT: That Boat that rocked) ist der feuchte Traum vieler Radiomacher. Absolute Freiheit am Mikro und bei der Musikauswahl, dazu die Aufmerksamkeit von Groupies und konservativer Sittenwächtern, die beim kleinsten Anflug von Freizügigkeit einen Blutsturz erleiden. Auf der Habenseite stehen ein klasse Sixties-Soundtrack und ein gut aufgelegter Cast (u.a. Bill Nighy, Philip Seymour Hoffman).
Hart auf Sendung – Pump Up The Volume (USA, 1990)
Der schüchterne Highschool-Nerd Mark (Christian Slater) mutiert Nacht für Nacht zu „Happy Harry mit dem Harten“, um in seinem kleinen Piratensender über die Ungerechtigkeiten des Lebens abzuledern. Seine Schulkameraden, die ihn im echten Leben nicht ernst- und wahrnehmen, hängen ihm an den Lippen. Happy Harry versteht es wie kein anderer, ihre Sorgen und Nöten auf den Punkt zu bringen. Durch einen dramatischen Vorfall werden die Behörden auf den illegalen Sender aufmerksam.
Hart auf Sendung* ist einer dieser Filme, die fallen, wenn Journalist*innen darüber sprechen, warum sie sich für das Medium Radio entschieden haben. Zumindest wenn sie in den 1980er- und 1990er-Jahren groß geworden sind. Der Coming of Age-Film ist ein Timepiece – das gilt auch in musikalischer Hinsicht. Der Soundtrack vereint Legenden wie die Pixies, Soundgarden und Sonic Youth.
On the Air Live with Captain Midnight (USA, 1979)
Außenseiter-Radio auf Rädern: Ein Teenager cruist mit seinem Van durch die Stadt der Engel und sendet als Captain Midnight seine Botschaften über den illegalen Äther. Die Synopsis liest sich, als sei On the Air Live with Captain Midnight ein gemeinsamer Vorfahre von Piratensender Powerplay und Hart auf Sendung.
Der Film erhielt 1986 später nochmal einige Aufmerksamkeit, als der Fernsehtechniker John R. MacDougall aus Protest den Empfang von HBO störte. Auf den eingeschleusten Texttafeln, die das Programm unterbrachen, bezeichnete sich MacDougall als Captain Midnight – eine Ehrerbietung an On the Air Live.
Der Fummeltrick der jungen Sally (USA, 1973)
Jetzt wird es ganz kurz schlüpfrig: In der Softcore-Komödie Der Fummeltrick der jungen Sally (OT: The Dirty Mind of Young Sally) betreiben eine Sekretärin und ein Ingenieur einen Piratensender, der reichlich viel Gestöhne in die heimischen Wohn- und Schlafzimmer überträgt.
Vasika…kalispera sas (Griechenland, 1982)
Vasika… kalispera sas* heißt so viel wie Zunächst einmal guten Abend. Tatsächlich gibt es einen englischen Release-Titel, der da lautet: Good Evening to you. Der Film handelt von zwei Teenagern mit den wohlklingenden Namen Stathis und Stamatis. Beide betreiben jeweils ein eigenes Piratenradio, dabei buhlen sie um dieselbe Frequenz und um dasselbe Mädchen.
Ich kann mir nicht helfen, aber den hier finde ich als Griechenland-Fan irgendwie sehr reizvoll. Eine imdb-Rezension verspricht nichts weniger als a nostalgic extravaganza: It’s the background in every scene, the buildings, the cars, the clothes, the radio amateurs (the “pirates”), the “discotheques”, the music, the atmosphere and even the all-star, ever-present cast of 80s cult actors like Psaltis, Gardelis, Mihalopoulos, Bostantzoglou, Finou, Pagrati, Pikoula and Aliberti. Falls irgendjemand, der in den 80er-Jahren in Griechenland aufgewachsen ist, Lust hat, diesen Film zu besprechen: Bitte melde Dich.
Young Soul Rebels (GB, 1991)
Der andere von zwei Filmen auf dieser Liste, die ich unbedingt sehen möchte. Diesen jedoch aus ganz anderen Motiven. Young Soul Rebels* spielt im Jahre 1977: Die Queen begeht ihr Silbernes Jubiläum und der Punk erlebt seine erste Blüte. Die Piratenradio-DJs Chris und Caz feiern Dauerparty, als plötzlich mit dem Mord an einem Freund die Lichter angehen. Die Schwarze Community vermutet einen rechtsradikalen Hintergrund, die Polizei allerdings verdächtigt Chris.
Young Soul Rebels verhandelt eine Menge ernster Themen – Rassismus, Homophobie, Sexismus – vor der Kulisse eines ausufernden Londons, untermalt von einem treibenden Soundtrack. Scheint ein kleiner Geheimtipp zu sein. Und hochgradig aktuell.
Lolita chijoku (Japan, 1988)
Orson Welles’ War of the Worlds meets Nightcrawler auf der illegalen Kurzwelle: Lolita chijoku handelt von einem jungen Pärchen, das sich für ihre Radiosendung Berichte über sexuelle Übergriffe ausdenkt. Ihre Schilderungen werden immer wilder, die Stalker und Vergewaltiger in ihren Geschichten immer brutaler.
Es geht um Sensationslust und Voyeurismus, wobei der Film reichlich explizit zu Werke geht. Brain Sex, so der internationale Titel, pfeift auf die welles’sche Imagination (wie sie beispielsweise im Verbal-Zombie-Film Pontypool [besprochen in Folge #6 von journalistenfilme.de – der Podcast] angeregt wird). Der dramaturgische Leitsatz Show, don’t tell hat hier definitiv seine Gültigkeit.
Uma Onda No Ar (Brasilien, 2002)
Vier Freunde gründen in einem Armenviertel von Belo Horizonte einen Piratensender. Radio Favela soll den Abgehängten eine Stimme geben. Uma Onda No Ar a.k.a. Something in the Air gilt als Gegenstück zum fiebrigen City of God (der einen journalistischen Bezug hat: Protagonist Buscapé arbeitet als Fotograf für die Lokalpresse). Während der international sehr erfolgreiche City of God ein kriminelles, gewalttätiges Bild vom Leben in einer Favela zeichnet, transportiert Uma Onda No Ar, der auf wahren Begebenheiten fußt, eine hoffnungsvolle Botschaft.
Radio Corbeau (Frankreich, 1989)
In einer französischen Kleinstadt sorgt ein Piratensender für Aufregung. Ein anonymer Moderator verbreitet unappetitliche Gerüchte über die Menschen in diesem Ort, in dem jeder jeden kennt. Er bringt so die Fassade einer vorgeblichen Idylle zum Einsturz.
Radio Corbeau ist inspiriert von Henri-Georges Clouzots Krimi Le Corbeau, der seinerzeit – 1943 – kontrovers diskutiert und kurz nach der Befreiung Frankreichs im Zweiten Weltkrieg verboten wurde. In dieser Version wird das scheinheilige Kleinstadtleben durch eine Reihe anonymer Briefe demaskiert. Weil Le Corbeau (deutsch: Der Rabe) ein düsteres Gesellschaftsbild zeichnete, nutzten die deutschen Besatzer den Film für ihre antifranzösische Propaganda aus.
Kalózok (Ungarn, 1999)
Zwei Freunde träumen von einer Karriere als Dicsjockeys beim kommerziellen Radio. Ein illegaler Piratensender soll ihr Türöffner sein – allerdings verheddern sich die beiden in einer romantischen Dreiecksbeziehung.
Darüber hinaus ist Kalózok ein abendfüllendes Musikvideo. Denn Pípí und Max legen mit Vorliebe Songs der Band Jazz+Az auf. Die Combo gehörte rund um das Millennium zu den erfolgreichsten Acts des Landes. Kalózok ist auch der Titel des zweiten Albums der Musikgruppe – und als eigentliche Stars treten die Mitglieder*innen auch im Film auf.
Eine kleine Kost- und Hörprobe:
Radio Free Steve (USA, 2000)
Der Südwesten der USA, irgendwann in der Post-Apocalypse der 1980er-Jahre: Angespornt durch einen Piratensender heizen mehrere Wastelanders durch die Wüste. Zielpunkt ist New Los Angeles. Die Macher hinter diesem Independent-Film (u.a. mit Lone Gunmen Dean Haglund) bewarben diesen benzingeschwängerten Ritt als Vereinigung der Road-Movie-Klassiker Mad Max und Ein ausgekochtes Schlitzohr.
Lavorare con lentezza (Italien, 2004)
Beruhend auf wahren Begebenheiten. Radio Alice, ein freier Sender in der Alternativen-Hochburg Bologna, versteht sich als Sprachrohr der Autonomia. Die italienische Arbeiterbewegung, die längst mehr als das ist, findet 1977 ihren Höhepunkt. Gleichzeitig markiert dieses Jahr auch ihr Ende: Die Obrigkeiten zerschlagen die Keimzellen der Bewegung. Auch Radio Alice muss seinen Sendebetrieb einstellen. Wie es dazu kam? Lavorare con lentezza* (auch als Working Slowly bekannt) ist linksalternatives Kino im Doku-Style.
Radiopiratene (Norwegen, 2007)
Pleasantville auf skandinavisch: Karl zieht mit seinem Vater aufs Land. Doch in Skjelleruten – jene Ortschaft, in der sein alter Herr aufwuchs – geht es reichlich merkwürdig zu. Kinder werden an der langen Leine gehalten. Alles, was Spaß macht, ist verboten. Eines Tages finden Karl und seine Freundin Sissiline die Hinterlassenschaften eines Piratensenders …
Crni Bombarder (Jugoslawien, 1992)
Belgrad, in der nicht allzu fernen Zukunft. Der Radio-DJ Crni ist die Stimme des Senders Boom 92, und als solche spricht er gegen das Establishment an. In dem Verständnis der autoritären Behörden ist die Sendeeinrichtung ein subversives Element. Boom 92 wird der Saft abgedreht. Crni landet auf der Straße, wo er sich zunehmend radikalisiert.
The Black Bomber, wie der Film auf englisch heißt, ist ein kontrovers diskutierter Beitrag des jugoslawischen Kinos. An der Schwelle der Jugoslawienkriege veröffentlicht, entbrannte eine Diskussion darüber, inwiefern der Film das amtierende Milosevic-Regime kritisiert bzw. unterstützt.
Du kennst weitere Filme über Piratensender?
Dann freue ich mich über einen Hinweis in den Kommentaren!
* Die mit * gekennzeichneten Links führen zu einem großen Online-Versandhaus, über die Du die hier vorgestellten Filme erwerben kannst. Du zahlst nicht mehr als sonst, ein kleiner Prozentsatz des bezahlten Betrags geht jedoch als Provision an journalistenfilme.de. Damit löse ich meine Hostinggebühren ein und schaffe neue Filme für neue Besprechungen an. Wenn Du dieses Projekt unmittelbar mit einer kleinen Spende unterstützen möchtest, dann kannst Du das über diesen Link hier tun:
COMMENTS
Hei. Ich bin auf der Suche nach einer englischen Serie (lief 1985/86?) im deutschen Fernsehen über einen Punkrockpiratenfernsehsender.
Weiß leider den Titel nicht mehr.
Hallo! Thema und Zeitraum würde ja auf “Pogo 1104” passen – ist aber deutsch … ohne den zeitlichen Verzug zu kennen, wirds schwer: Aber durch Keywordsuche bei imdb.com bin ich das eine oder andere Mal auf verschollene Filmtitel gekommen. Habs mal nach Radio und TV-Serie gefiltert: https://www.imdb.com/search/keyword/?keywords=radio&ref_=kw_ref_typ&sort=release_date,asc&mode=detail&page=1&title_type=tvSeries
Shoestring ist britisch und um 1984 erschienen, da scheint mir der Punkrock-Bezug zu fehlen.
Ich suche einen älteren Film, der in Berlin spielt, einer der Handlungsstränge ist ein Moderator eines Piratensenders, der immer nachts allein in seinem Studio sitzt und LPs auflegt, sein immer wiederholter Spruch dazu ist, gegen die elektronischen Medien gerichtet, dass das Leben oder die Musik “mehr als nur null oder eins ist”. Kennt jemand den Film und kann mir den Titel nennen, ich kann keine Spur mehr davon finden. Danke!
Hallo Jörg, mir sagt das gerade nichts. Aber vielleicht findet sich hier ja jemand, der den Film kennt. Kannst Du Dich ggf. an Details erinnern (wie alt etwa, Schauspieler o.ä.)?