HomeAllgemein

Donal MacIntyres Doku-Eigentor: Hooligans Around The World (2012)

Donal MacIntryre sorgte einst mit seinen Recherchen in der Hooligan-Szene für Aufsehen. Hooligans Around The World bietet kruden Nachschlag.

Abgrund Boulevardjournalismus: Manhattan Nocturne (2016)
September 5 (2024): Die Bürde der Echtzeitberichterstattung
Interview (2007): Wahrheit oder Pflicht

Donal MacIntryre sorgte einst mit seinen Recherchen in der Hooligan-Szene für Aufsehen. Hooligans Around The World bietet kruden Nachschlag.

Text: Patrick Torma. Bildmaterial: Ascot Elite.

1999 sorgte der britische Investigativjournalist Donal MacIntyre mit einer BBC-Undercover-Reportage für Aufsehen: Monatelang filmte er unerkannt unter Hooligans. Seine Enthüllungen führten nicht nur zu Verhaftungen prominenter Rädelsführer, sondern brachten ihm auch Anfeindungen und Morddrohungen ein. Lange zehrte MacIntyre, der zwischenzeitlich mit der Teilnahme an der Fernsehsendung Dancing on Ice von sich reden machte und mittlerweile Gefallen an True Crime-Formaten gefunden hat, von seinem Ruf als „Kenner der Szene“.

Die Dokumentation Hooligans Around The World ist gewissermaßen die dritte Halbzeit seiner Beschäftigung mit diesem Thema – laut, reißerisch und so überflüssig wie ein Schlag auf die Murmel. Gleich zu Beginn verweist der Sprecher noch auf MacIntyres journalistische Verdienste, die zum Zeitpunkt der Entstehung jedoch bereits zehn Jahre zurückliegen. Eine Ewigkeit, nicht nur im Fußball. Damals untersuchte er den Hooliganismus als Symptom einer „englischen Krankheit“.

Schlachtenbummel durch die gewalttätige Welt des Fußballs

Hooligans Around The World macht sich nun auf zum großen Schlachtenbummel durch die gewalttätige Welt des Fußballs, um zu zeigen: Seht her, andere Länder haben ein ähnliches, wenn nicht sogar ein größeres Problem. In Argentinien zerlegen „Fans“ ganze Stadien und in Osteuropa hauen sie sich die Schädel ein, ohne den Anstand der britischen Althauer, die immerhin nicht nachtraten, wenn jemand am Boden lag.

Großbritannien bleibt jedoch Ausgangspunkt. Wer das Mutterland des Fußballs stellt, lässt sich den Hooliganismus nicht nehmen. Für diejenigen, die noch nicht allzu sehr mit dem Phänomen vertraut sind, ist das noch der spannendste Part dieser Doku: dass die Ursprünge der Fußballrandale wohl auf die Streitigkeiten zweier Hafengewerkschaften zurückgehen, war auch mir neu. Es folgt ein kurzer Abriss darüber, wie die „englische Krankheit“ ausbrach und in den 1970er- und 1980er-Jahre traurige Höhepunkte fand (wie etwa die „Katastrophe von Heysel“).  

Alte und aktuelle Hooligans als Talking Heads

Daneben kommen Szene-Insider von schwankender Glaubwürdigkeit zu Wort. Dougie Brimsons (ja, der Ex-Schläger, der das Drehbuch zu Hooligans schrieb) Expertise zu diesem Thema ist unbestritten. Doch warum gerade der Schauspieler Tamer Hassan vor der Kamera schwafeln darf? Offenbar genügen seine Herkunft aus dem rauen South London und seine Rolle als Hooligan-Anführer im Spielfilm Football Factory als Qualifikation. Andere wiederum wollen nicht erkannt werden. Verständlich. Aber da könnte ja auch jeder kommen.

Wie dem auch sei: Sie alle schwadronieren über die Beweggründe für die Gewalt und bemühen dabei die Introspektive. Der Rausch des Katz- und Mausspiels, das Gefühl von Zugehörigkeit, fehlende Ventile für Frustration. Einige „Talking Heads“, darunter zwei Journalisten, sind um größere Zusammenhänge bemüht. Eine echte soziokulturelle Betrachtung bleibt jedoch aus. Denn das hieße ja, in die Tiefe zu gehen.

Eine Stimmung wie bei Upps! – Die Pannenshow

Dafür bleibt keine Zeit, stattdessen betreibt die Hooligans Around The World wildestes Groundhopping rund um den Globus. Dabei wird das hektische Schnittgewitter aus Überwachungsvideos, Handy-Clips und Nachrichtenfootage von einem immerwährenden Hardrock-Soundteppich begleitet und einem süffisanten Sprecher kommentiert (im Original: Sean Bean!). Statt eine ernsthafte Dokumentation zu sehen, fühlt es sich an, als hätte man es mit der Stadionedition von Homevideo-Sendungen wie Bitte lächeln oder Upps! – Die Pannenshow zu tun.

Wie schon im Fall von Hooligans (zur Besprechung bitte hier entlang) drängt sich der Eindruck auf, dass es der Dokumentation vielmehr um die Faszination als um die Aufarbeitung geht. Dieser Eindruck verstärkt sich, sobald die Dokumentation doch mal nach externen Faktoren für die Ausbrüche sucht und durch komplexe Themen pflügt wie Rowdys mit Eisenstangen durch den Gästeblock: Polizeigewalt, Ultrakultur, korrupte Verbände, die um sich greifende Kommerzialisierung des Sports – das alles und noch viel mehr wirft die Doku in nur 90 Minuten in den Topf, um durch gedankliche Verkürzungen so etwas wie einen Anflug von Verständnis für den Hooliganismus zu entwickeln. Nach dem Motto: Wenn der Fußball derart kaputt ist, muss man sich über Exzesse nicht wundern.

Die echten heißen Eisen packt der Film nicht an

Dabei zeigt Hooligans Around The World ja etwas ganz anderes. Egal, wie unterschiedlich die Fanszenen ticken und worin die jeweiligen sportpolitischen Probleme begründet liegen mögen – Gewalt bleibt ein universelles, und vor allem: männliches Phänomen. Ein Muster, das die Dokumentation lieber übergeht. Dasselbe gilt übrigens für das Thema Rechtsextremismus. Da wird lieber die Einheit aller Milieus in den eigenen Vereinsfarben beschworen, anstatt sich vertiefend mit diesem unbequemen Thema auseinanderzusetzen.

Selten käme ein Spielabbruch gelegener: Als journalistische Dokumentation ist Hooligans Around The World ein Eigentor der besonders unansehnlichen Sorte.

_____

Lust, den Film zu erwerben? Wenn nicht, guck nicht so! Falls doch: Mach dat bloß über diesen Link, sonst gibbet ein paar auf die Kauleiste! Irgendwie muss ich den Mist hier doch gegenfinanzieren!

Hooligans Around The World aufs Maul … äh … auf Scheibe

25000onon

COMMENTS

WORDPRESS: 0
DISQUS: 0