The Killing Fields erinnert an den Völkermord in Kambodscha. Dazu ist er das Dokument einer bemerkenswerten Freundschaft zweier Journalisten.
The Killing Fields erinnert an den Völkermord in Kambodscha. Dazu ist er das Dokument einer bemerkenswerten Freundschaft zweier Journalisten.
Er wird im Blutnebel der Menschheitsverbrechen häufig übersehen – der Völkermord der Roten Khmer an an eigenen Brüdern und Schwestern. The Killing Fields hält die Erinnerung an das Schicksal von über zwei Millionen Kambodschanern in Pol Pots Demokratischem Kamputschea wach. Dabei ist der britische Film mehr als ein Mahnmal. Er ist das Dokument einer bemerkenswerten Freundschaft zweier Journalisten. Ein eindrucksvoller Film, der bis heute nichts von seiner Intensität verloren hat.
Text: Patrick Torma. Bildmaterial: Warner Bros.
„Before The Killing Fields Combodians never knew during their time under the Khmer Rouge whether anybody in the outside world knew about what was happening to them. The truth was, that was pretty true. The movie changed that.“ Sydney Schanberg (1934 – 2016)
Kambodscha zu Beginn der 1970er-Jahre: Die kommunistischen Guerillas der Roten Khmer greifen nach der Macht. Ihre antiwestliche Propaganda fällt bei der einfachen Bevölkerung auf fruchtbaren Boden. Dabei ist das Land ausgelaugt von den Auswüchsen des Vietnamkrieges, der wie ein Krebsgeschwür in die Nachbar-Republiken hineinwuchert. Vietcong und US-Streifkräfte haben die Kämpfe längst auf kambodschanisches und laotisches Territorium ausgeweitet. Den Versorgungslinien der einen Fraktion versucht die andere mit Bombenteppichen beizukommen. Der Fortschritt des Westens bringt in den Augen vieler Kambodschaner demnach nur Tod und Verderben. Als Gegenentwurf proklamiert Pol Pot, Führer der Roten Khmer, ein landwirtschaftliches Utopia. Einen Bauernstaat ohne Intellektuelle und Technokraten.
1975 erobern die Kämpfer die Hauptstadt Phnom Penh und rufen die Stunde Null aus. Innerhalb eines Tages wird die verhasste, weil westlich anmutende Metropole entvölkert. Die Khmer haben vor allem Beamte, Akademiker und Geistliche im Visier – jeder, der die Idee von der egalitären Bauerngesellschaft gefährdet, ist automatisch ein Staatsfeind. Unterschiede werden nicht gemacht. Gefangene ebenso wenig. In ihrem paranoiden Wahn bringen Pol Pots Schergen zwischen 1,4 und 2,2 Millionen Landsleute um (rund 20 bis 30 Prozent der damaligen Bevölkerung!). Die Leichen von Männern und Frauen, Kindern und Greisen, lassen sie in riesigen Massengräbern zurück – den so genannten Killing Fields.
Sydney Schanberg trifft Dith Pran
Sydney Hillel Schanberg ist als Berichterstatter in Kambodscha unterwegs, während die Roten Khmer weitere Teile des Landes unter Kontrolle bringen. Der Journalist von der New York Times interessiert sich zunächst für die Auswirkungen der US-Interventionen in dem Land, erst nach und nach wird er von den revolutionären Vorgängen erfasst. Schanberg wird derjenige sein, der die Welt auf das Leid der kambodschanischen Bevölkerung aufmerksam macht. Bereits 1971 hatte er einen anderen Genozid in das Bewusstsein der Öffentlichkeit geholt – den Völkermord an den Bengalen in Ostpakistan (heute Bangladesch) durch pakistanische Streitkräfte.
1973 lernt Schanberg in Kambodscha den Dolmetscher Dith Pran kennen. Der 1942 geborene Sohn eines Beamten arbeitet bereits mit Anfang Zwanzig als Übersetzer für den United States Military Assistance Command. Als Kambodscha die diplomatischen Beziehungen abbricht, schließt er sich einem britischen Filmteam an. Pran ist unter anderem an der Produktion des Abenteuerschinkens Lord Jim mit Peter O’Toole (Lawrence von Arabien) in der Hauptrolle beteiligt. Nachdem das Filmteam abzogen ist, arbeitet der junge Mann an der Rezeption eines Hotels. Der Vietnamkrieg und die Roten Khmer sind allerdings wenig förderlich für den Tourismus in der Region, so dass Dith Pran übergeht, seine Fremdsprachenkenntnisse in die Arbeit mit ausländischen Journalisten einzubringen. So kommt der Kontakt zwischen Schanberg und Pran zustande.
Aus Kollegen werden Freunde
Beide profitieren von der Zusammenarbeit. Dank Pran lernt Schanberg die Kultur der Kambodschaner zu verstehen, was seinen Reportagen Substanz und zusätzliches Einfühlungsvermögen verleiht. Pran wiederum findet Gefallen an der Berichterstattung: Der Dolmetscher wird journalistisch tätig, indem er sich als Reportagefotograf verdingt. Schließlich ist da noch die innige Freundschaft, die sich aus der beruflichen Partnerschaft heraus entwickelt und beide Männer bis zu Prans Tode im Jahre 2008 verbinden wird. Als das politische Klima in Kambodscha rauer wird, hilft Schanberg Pran dabei, dessen Familie in die USA zu holen. Pran jedoch bleibt in Kambodscha, er will die Revolutionstage an der Seite seines Freundes erleben.
Im Frühjahr fällt die Hauptstadt Phnom Penh an die Roten Khmer. Die neuen Machthaber gehen bei ihrem Kehraus brutal vor. Nach anfänglicher Euphorie über die „Befreiung“ regiert auf den Straßen der Millionenstadt der Terror. Viele ausländische Korrespondenten und Diplomaten haben das Land zu diesem Zeitpunkt bereits verlassen. Schanberg und Pran flüchten auf das Gelände der französischen Botschaft, wo sie auf ihre Ausreise hoffen. Doch nur Schanberg darf als US-Amerikaner das Land über die Grenze nach Thailand verlassen. Sein kambodschanischer Begleiter wird noch in der Botschaft festgehalten.
Pran: Irrweg durch die Heimat, die keine ist
Für Dith Pran beginnt eine vierjährige Odyssee durch eine Heimat, die ihn von nun an zu verscharren versucht. Aufgrund seiner Fremdsprachenkenntnisse sowie seiner Kontakte zum Westen entspricht der Sohn aus bürgerlichem Hause dem Feindbild der Roten Khmer – in ihren Augen sind Männer wie Pran intellektuelle Geister, die der Erschaffung eines bäurischen Utopias im Wege stehen. Pran entscheidet sich, seinen Bildungshintergrund zu verschleiern und schlägt sich, verkleidet als einfacher Bauer, durch die Bürgerkriegswirren. Er schuftet in Arbeitslagern und auf Reisfeldern. Er lebt in ständiger Angst von den Roten Khmer enttarnt zu werden. Enttarnt zu werden bedeutet, sein Leben zu verlieren, wie Pran recht schnell erfährt. Die neuen Machthaber versuchen erst gar nicht, den Schein zu wahren. Wie viele Kambodschaner wird Pran Zeuge von „Säuberungen“. Auch die berüchtigten Killing Fields bekommt er zu Gesicht.
In den Vereinigten Staaten verarbeitet Sydney Schanberg derweil die Ereignisse von Phom Penh. Ihn plagen Schuldgefühle, weil er seinen Freund zurückließ. Wären sie nicht so versessen gewesen, den finalen Einmarsch der Roten Khmer zu begleiten, hätten sie das Land womöglich gemeinsam verlassen können. Jahre später wird Scharnberg in einem Interview eingestehen, die Lage unterschätzt zu haben. Er habe sich allzu sorglos darauf verlassen, dass alles gut werde. Das ist keine ungewöhnliche Haltung für einen Amerikaner. Zumindest zu dieser Zeit. Gerade in der Beurteilung außenpolitischer Fragen ist der Wunsch als Vater des Gedankens federführend.
Schanberg: Schuldgefühle und Pulitzer-Preis
In seiner Hilflosigkeit entschließt sich Scharnberg, zwei Dinge zu tun. Erstens: Prans Familie, mittlerweile in San Francisco wohnhaft, zu unterstützen. Das ist das Mindeste. Zweitens: Der Welt die Wahrheit über Kambodscha zu erzählen. Die Wahrheit darüber, wie der Vietnamkrieg ein Land destabilisierte und es empfänglich machte für die Ideale einer Mörderbande. Schanberg rettet damit weder seinen Freund, noch das Land. Doch seine Artikel erreichen eine breite Leserschaft. 1976 gewinnt Schanberg den Pulitzer-Preis für seine Auslandsreportagen.
Der Journalist teilt diese Auszeichnung mit seinem verschollenen Freund. Diese Geste bringt ihm nicht nur Applaus ein. Kritiker werfen Schanberg vor, er missbrauche das Schicksal seines Freundes, um zusätzliche Aufmerksamkeit zu erhaschen. Der Film thematisiert diesen Zwiespalt kurz. Wie massiv diese Vorwürfe damals tatsächlich sind, oder ob sie nicht vielleicht in einem gewissen Maße aus dem Schanberg’schen Schuldkomplex resultieren, bleibt an dieser Stelle offen. Fakt ist: Schanberg muss zu diesem Zeitpunkt davon ausgehen, dass Pran von den Roten Khmer ermordet wurde. Der Titel seines späteren Buches „The Death and Life of Dith Pran“ deutet an, wie es um dessen Hoffnung gestanden haben muss.
Flucht aus dem Land der Roten Khmer
Dabei weilt Dith Pran unter den Lebenden. So weit man ein Dasein unter der repressiven Order der Roten Khmer als Leben bezeichnen kann. Nach dreieinhalb Jahren harter Arbeit gelingt ihm die Flucht aus einem Lager. Pran macht sich auf die Reise in sein altes Heimatdorf, nur um festzustellen, dass mindestens 50 Familienmitglieder den Säuberungen zum Opfer gefallen sind. Dennoch taucht er in dem Ort unter.
Ende 1978 deutet sich ein neuer Stellvertreterkrieg in Südostasien an, dieses Mal nicht zwischen West und Ost, sondern innerhalb des kommunistischen Blocks. Das Demokratische Kamputschea fühlt sich den Lehren Maos verbunden, mehr als den Manifesten von Marx und Engels. Weil kambodschanische Kämpfer wiederholt Dörfer auf benachbartem Boden attackieren, kommt es zum Konflikt mit Vietnam, das unter dem „Schutz“ der Sowjetunion steht. Anfang 1979 besetzen vietnamesische Streitkräfte weite Teile Kambodschas, darunter auch Dith Prans Heimatdorf. Neue Strukturen sollen her, Pran wird zum Bürgermeister ernannt. Weil er jedoch mögliche Repressalien durch die Roten Khmer fürchtet – auf Kambodscha warten noch zwei Jahrzehnte Bürgerkrieg, erst 1998 gelten die Khmer als zerschlagen (gleichwohl sollen sie bis heute im Untergrund aktiv sein) – flüchtet er nach Thailand.
Wiedersehen in Thailand
Sydney Schanberg besteigt das nächstbeste Flugzeug, als er vom Wohlergehen seines Freundes erfährt. In einem thailändischen Flüchtlingslager kommt es zum Wiedersehen. Ein Fotograf hält die innige Umarmung fest – das Foto wird später im Time Magazine abgedruckt. Schanberg macht das, wozu er vor vier Jahren nicht in der Lage war – er nimmt Dith Pran mit in die USA, wo seine überglückliche Familie auf ihn wartet. Schanberg verschafft seinem Freund außerdem eine Beschäftigung bei der New York Times. 1980 veröffentlicht die Zeitung Prans Memoiren. Die Artikelserie ist der Ausgangspunkt für „The Death And Life of Dith Pran“, das bereits erwähnte Buch erscheint erst 1985, ein knappes Jahr nach der Veröffentlichung von The Killings Fields.
Einer, der durch die Berichterstattung auf Lebens- bzw. Leidensgeschichte von Dith Pran aufmerksam wird, ist David Puttman. Der britische Produzent ist auf der Suche nach einem geeigneten Stoff für einen seiner nächsten Filme (1981 wird er einen Oscar für den Sportlerfilm Die Stunde des Sieges entgegennehmen). Es ist die Fotografie der beiden wiedervereinten Freunde, die ihm nicht aus dem Kopf gehen will. The Killing Fields sei der Film gewesen, auf den er beinahe zwei Jahrzehnte gewartet habe. 1966 hatte er im jugendlichen Alter Gillos Pontecorvos Kriegsfilm Schlacht um Algier gesehen. „Der Film änderte meine Haltung zum Kino. Schlacht um Algier war der erste Film, der mir vor Augen hielt, dass Kino mehr sein konnte. Ich wusste damals nicht, ob ich einen Film sah oder nicht“, wie Puttman einige Jahre später zu Protokoll gibt. Der Film handelt vom algerischen Unabhängigkeitskrieg und nimmt eine semi-dokumentarische Perspektive ein. Eine Herangehensweise, die auch in The Killing Fields erkennbar ist. Drehbuchautor Bruce Robinson – jener Robinson, der drei Jahrzehnte später Hunter S. Thompsons The Rum Diary verfilmt– nimmt die Arbeit an einem Skript auf. Als David Puttmann es in die Hand nimmt, ist es 300 Seiten stark.
Costa-Gavras? Kubrick? Richard Joffé!
Die Suche nach einem geeigneten Regisseur beginnt. Costa-Gavras fällt in die engere Wahl, der griechisch-französische Filmemacher gilt als Experte für politische Stoffe. Mit Z inszeniert Costa-Gavras den besten fremdsprachigen Film des Jahres 1969. Der Film, der unter dem Eindruck der griechischen Militärdiktatur erscheint (allerdings in einem nicht näher benannten Land spielt), gilt als Meilenstein des engagierten Kinos. 1997 wird sich der Regisseur die Sensationsgier der Medien vornehmen: Mad City hat bereits eine Besprechung auf journalistenfilme.de erhalten. Neben Costa-Gavras soll auch Stanley Kubrick interessiert sein. Doch ausgerechnet der große Kino-Visionär winkt ab. Das Buch sei unverfilmbar, so steht es angeblich in Kubricks Notizen.
Vielleicht aber fehlt Kubrick der richtige gedankliche Zugang. Einen, wie ihn Richard Joffé findet. Der Regisseur ist zu diesem Zeitpunkt ein unbeschriebenes Blatt. Über das Nachrichtenfernsehen hat er sich zum seriellen Erzählen vorgearbeitet und schließlich zwei TV-Filme vorgelegt, die mit Preisen überhäuft wurden. Die große Leinwand ist allerdings Neuland, als er sich zum Gespräch mit David Puttman trifft. Joffé liest aus Robinsons Skript vor allem die intensive Freundschaft zwischen Schanberg und Pran heraus. Eine Lesart, die anderen Regisseuren entgeht. David Puttman nicht. War er es doch, der sich von der Wiedervereinigung der beiden Männer hat ergreifen lassen. Für Puttman ist Freundschaft die Quintessenz der Geschichte. Der No-Name-Regisseur erhält den Zuschlag.
Ein Unbekannter und ein Novize
Auch bei der Wahl der Hauptdarsteller trifft Puttman, nun gemeinsam mit Joffé, mutige Entscheidungen. Für die Rolle von Sydney Schanberg interessieren sich renommierte Schauspieler wie Roy Scheider, Alan Arkin oder Dustin Hoffman. Das Duo liebäugelt mit dem bis dato relativ unbekannten Sam Waterston. Serienfans kennen ihn heute vor allem aufgrund seiner Darstellung des väterlichen ACN-Nachrichtenchefs in der HBO-Produktion The Newsroom. Das Studio ist von Waterston weniger angetan. Die Bosse lechzen nach einem Namen, der die Menschen ins Kino lockt. Dustin Hoffman wäre so ein Name. Doch bevor das Studio seinen Favoriten durchdrücken kann, vergraulen Puttman und Joffé potenzielle Kandidaten, indem sie die Drehbedingungen in Thailand maßlos überzeichnen. Die Konkurrenz steigt aus, der Weg für Sam Waterston ist frei.
Die Rolle des Dith Pran geht an einen echten Novizen. Haing S. Ngor besitzt keinerlei Schauspielerfahrung, als ihn der Casting-Direktor auf einer kambodschanischen Hochzeit in Long Beach entdeckt. Joffé sieht in Ngor einen Rohdiamanten. Doch der Auserwählte sträubt sich. Ngor ist selbst Überlebender des Pol Pot-Regimes. Zu schmerzhaft sind die Erinnerungen an die Ermordung seiner Frau. Ngor hatte die Tat mit eigenen Augen ansehen müssen, er unterdrückte jeden Schmerz, um nicht selbst getötet zu werden. Er möchte dieses Kaptiel seines Lebens nicht mehr aufschlagen. Joffé allerdings lässt nicht locker, schwatzt ihm die Rolle geradezu auf. „Ich sagte ihm, dass er diese Rolle einfach spielen müsse. Er müsse es für sein Land tun. Auch wenn es schwierig sei“, erinnert sich der Regisseur. Ngor stimmt schließlich zu.
Bewältigungs-Crashkurs für Pran-Darsteller
Noch einige Male, während des Drehs, übermannen den Neu-Mimen Zweifel. Die Rolle ist wie eine schwere Bürde, die Arbeiten rufen schmerzliche Erinnerungen hervor. Immer wieder fließen Tränen. Doch mit jedem Ausbruch steigert sich Ngor immer stärker in die Figur des Dith Pran hinein. Die Dreharbeiten werden zu einer Art Bewältigungs-Crashkurs, der selbst Außenstehende mitnimmt. Während einer Drehpause schlüpft Ngor in die Uniform eines Khmer-Kämpfers. Stoisch sitzt er da, ohne ein Wort zu sagen. Welche Dämonen er in seinem Innersten bekämpft, können die Kollegen am Set nur erahnen. Zwischenzeitlich machen sie sich ernsthafte Sorgen um ihn. Die eigentliche Produktion kommt hingegen ohne Störfälle aus. Gedreht wird in Thailand, die dortigen Behörden unterstützen die Dreharbeiten bereitwillig. Die Roten Khmer sind zu Beginn der 1980er-Jahre zwar gestürzt, buhlen jedoch um eine Rückkehr an die Macht. Da kommt ein Film, der das gebeutelte Mekong-Delta zurück in den Fokus der Öffentlichkeit holt, gerade recht.
Auf der anderen Seite ist der Film ein echtes Produkt seiner Zeit: Vietnam und Watergate haben das Vertrauen in die großartigste Nation der Erde erschüttert. Alle Welt schaut genau hin, wo und wie die USA intervenieren. Das Blockbuster-Kino hat die Ära des New Hollywood zwar schon wieder abgelöst, es finden sich aber immer noch genügend Filmemacher, die den Finger in die Wunde legen. Diese Filmemacher entdecken einen neuen Rollentypus für sich – nämlich die des Kriegsreporters. In den 1980er-Jahren haben Krisenberichterstatter auf der Leinwand Hochkonjunktur, bekannte (Sub-)Genrevertreter sind Under Fire mit Nick Nolte, Oliver Stones Salvador oder Ein Jahr in der Hölle von Peter Weir. Gerade zu letzterem weist The Killing Fields deutliche Parallelen auf. Wie der Australier Weir verzichtet der Brite Richard Joffé auf effektheißerische Action- und Bombast-Szenen. Bei aller Gewalt ist The Killings Fields ein leiser, sehr bedächtiger Film. Zudem nehmen beide Filme eine eher beobachtende Haltung ein, im Gegensatz zu den US-Klassikern Under Fire oder Salvador, die sich primär an das amerikanische Gewissen wenden.
Eine Dekonstruktion des Journalismus?
Schanberg ist zwar Amerikaner, aber keineswegs die Hauptfigur in The Killing Fields. Zugegeben: Er nimmt die Rolle des Erzählers ein, der die Geschichte erst einem größeren Publikum (respektive der Weltöffentlichkeit) zugänglich macht. Was den Fortlauf der Handlung betrifft, ist er jedoch ein Unbeteiligter. Jeder Versuch eines Eingriffs läuft ins Leere. Schanbergs Machtlosigkeit steht stellvertretend für die Machtlosigkeit der USA, die in den 1970er-Jahren feststellen, das auch Supermächte Grenzen haben. Allerdings: In The Killing Fields verbleibt das Vietnamtrauma auf Individualgröße, der Film breitet es nicht allzu weit aus.
Eine interessante These vertritt Alex Todorov von Filmstarts. Er sieht in der Machtlosigkeit Schanbergs eine Dekonstruktion des Journalisten: „Zwar strebt Schanberg nach der Wahrheit, doch tut er dies erstens rücksichtslos und zweitens hat seine Wahrheit keine Konsequenzen, bringt keine Linderung, geschweige denn Besserung.” Worin ich Alex Todorov zustimme: Schanbergs Berichterstattung führt nicht dazu, dass der Konflikt beendet wird. „Cambodia’s torment has not yet ended. The refugee camps on the Thai border are still crowded with the children of the killing fields“, mahnen die Schrifttafeln, kurz bevor der Abspann abfährt. Daraus gleich ein Versagen des Journalismus abzuleiten, ist in meinen Augen allerdings ein überharter Schluss.
The Killing Fields – konsequenzlos?
Was man den Journalisten in The Killng Fields vorhalten kann, ist, dass sie dem Einmarsch der Roten Khmer allzu sorglos beiwohnen. Abgesehen davon machen sie wenig falsch. Schanberg lässt Pran nicht über die Klinge springen, er lässt ihn nur schweren Herzens zurück. Und tut schließlich das, was in seiner Macht steht – über Pran und Kambodscha berichten. Nicht Schanberg und der Journalismus versagen. Es ist die Staatengemeinschaft, die nicht hin hört bzw. zu sehr mit sich selbst beschäftigt ist. Daraus eine Schwäche des Journalismus zu drehen, entspricht nicht dem Zeitgeist. In den 1980er Jahren ist das Image des Journalismus in Ordnung – dass der Kriegsreporter gerade in diesem Jahrzehnt zu einer populären Figur avanciert, kommt nicht von ungefähr.
Und zu guter Letzt: Folgen wir Todorovs These bis zum bitteren Ende, dann ignorieren wir Schanbergs Leistung. Immerhin gelingt es ihm, das kambodschanische Schicksal in das öffentliche Bewusstsein zu zerren, indem er Stoff für einen Film liefert, der selbst journalistische Funktionen erfüllt. Und im Nachgang sogar Hilfs- und Spendenbereitschaft entfacht. Konsequenzlosigkeit sieht anders aus. Wer in diesem Fall die Beilegung des Konflikts bzw. den Sturz der Roten Khmer als einzige Konsequenz zulässt, überschätzt die Macht der Medien. Im Vietnamkrieg etwa spielten die Medien zweifellos eine wichtige Rolle. Den Krieg beendet, so wie man es hin und wieder liest und hört, haben sie allerdings nicht. Das haben Politik und Militär schön alleine hingekriegt. Aber das ist eine andere Geschichte.
The Killing Fields: Erfolg und Ritterschlag
Gemessen an den wirtschaftlichen Kennzahlen ist The Killing Fields ein Erfolg. Der Film spielt knapp 35 Millionen US-Dollar ein, bei einem Budget von etwa 14,5 Millionen US-Dollar. Am Ende belegt The Killing Fields Platz 25 auf der Liste der erfolgreichsten Filme eines ohnehin sehr starken Filmjahres [Lesetipp an dieser Stelle: Hollywoods Königsjahr – die Kultfilme von 1984 bei den geschätzten Kollegen von Duoscope]. Die Verfilmung von Dith Prans Leidensgeschichte wird mehrfach ausgezeichnet.
Der Ritterschlag erfolgt bei der 57. Oscarverleihung im Jahr darauf. The Killing Fields geht mit der dritthöchsten Anzahl an Nominierungen ins Rennen, hinter Amadeus und David Leans (Lawrence von Arabien, Doktor Schiwago) letztem Spielfilm Reise nach Indien. Von sieben Nennungen werden letztlich drei veredelt – der Film gewinnt Goldjungen in den Kategorien Bester Schnitt, Beste Kameraführung und Bester Nebendarsteller. Dass die Academy Haing S. Ngor zum Nebendarsteller degradiert, ist angesichts der Tatsache, dass Dith Pran zwei Drittel des Films alleine trägt, rückblickend betrachtet, ein Skandal für sich. Gleichzeitig ist diese Auszeichnung hoch verdient (im selben Jahr ist „Pat“ Morita für seine Darstellung des Mr. Miyagi in Karate Kid nominiert – kleiner Fun Fact durch die Nerdbrille). Man kann es nicht oft genug wiederholen: Ngor besitzt bei Drehstart keinerlei schauspielerische Erfahrung.
Tragisches Ende und Vermächtnis
Für Ngor endet die Geschichte tragisch: Der Überlebende der Killing Fields wird elf Jahre nach dieser Verleihung, am 25. Februar 1996, in seinem Exil in Los Angeles erschossen. Da die Täter neben seiner Uhr auch ein Medaillon mit dem Foto seiner verstorbenen Frau entwenden, werden zunächst Sympathisanten der Roten Khmer hinter diesem Mord vermutet. Die Ermittler finden jedoch heraus, dass Ngor zufällig Opfer einer Straßengang auf Raubtour wurde. Doch das ist nicht das, was haften bleiben sollte: Ngor hat mit seiner Darstellung des Dith Pran eine Performance für die Ewigkeit gezeigt. Auch dank ihm ist The Killing Fields ein Meilenstein des Krisenkinos.
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