In Catch Me! spielen Erwachsene Fangen. Weil sie das seit Kindheitstagen tun, wittert die Journalistin Rebecca Crosby eine Human Interest-Story.
In Catch Me! spielen Erwachsene Fangen. Weil sie das seit Kindheitstagen tun, wittert die Journalistin Rebecca Crosby eine Human Interest-Story.
Inspiriert ist der Film von einer wahren Geschichte, die durch einen Zeitungsartikel publik wurde.
Text: Patrick Torma. Bildmaterial: Warner Home Video.
Kriegen, Haschen, Packen, Ticken – im deutschen Sprachraum gibt es so einige Bezeichnungen fürs Fangenspielen. Im Englischen heißt „Fangen“ tag, doch unter diesem Titel wollte der deutsche Verleih Jeff Tomsics Actionkomödie von 2018 nicht starten lassen. Zufälligerweise stehen diese drei Buchstaben in unseren Breitengraden für eine Zeiteinheit. Weswegen der Originaltitel Tag in Deutschland durch Catch Me! ersetzt wurde. So oder so: Der Name ist Programm.
Alles beginnt mit einem Interview. Rebecca Crosby (Annabelle Wallis), Reporterin im Dienste des Wall Street Journals, trifft sich mit Bob Callahan (Jon Hamm, Der Fall Richard Jewell) zum Gespräch. Im gläsernen Konferenzraum sitzt sie dem CEO eines großen Medizinkonzerns gegenüber, bereit ihre – durchaus kritischen – Fragen abzufeuern. Plötzlich wird Bob per Hechtsprung vom Hausmeister niedergestreckt. Die Journalistin befürchtet ein Attentat, da löst sich die Situation in Gelächter auf: Der „Angreifer“ entpuppt sich als Bobs alter Kumpel Hoagie (Ed Helms, Hangover), sein wahnwitziger Stunt ist der Startschuss eines liebgewonnenen Rituals unter Freunden.
Eine einmalige journalistische Gelegenheit…
Wie Rebecca erfährt, sind Bob und Hoagie Teil einer Clique, die seit über 30 Jahren ein Endlos-Fangenspiel praktiziert. Einmal im Jahr, im Wonnemonat Mai, ist Jagd-Saison. Dann ist alles erlaubt. Keine Verkleidung ist zu albern, keine Gelegenheit zu billig. Hauptsache, es wird ordentlich abgeklatscht. Zuletzt hatte es eben Hoagie erwischt. Mit dem heutigen Tage haben elf schmachvolle Monate ihr Ende gefunden. Und noch etwas soll in diesem Jahr gebrochen werden: der Nimbus von Jerrys Unfangbarkeit. Der Bald-Bräutigam (Jeremy Renner, Kill The Messenger) hat sich in 30 Jahren nicht ein einziges Mal erwischen lassen. Ausgerechnet am Wochenende seiner Hochzeit soll es für ihn kein Entkommen geben …
Mitgehangen, mitgefangen: Fasziniert von der Idee, dass fünf mitten im Leben stehende Männer ein Spiel aus Jugendzeiten fortsetzen, lässt Rebecca die Ursprungsgeschichte fahren. Die Journalistin entschließt sich dazu, der Gruppe auf Schritt und Tritt zu folgen, in der Hoffnung, Zeugin des scheinbar Unmöglichen zu werden. Gemeinsam mit Bob und Hoagie sowie den weiteren Fängern Chili (Jake Johnson, Journey of Love) und Reggie (Lil Rel Howery) nimmt sie auch an den Feierlichkeiten rund um Jerrys Hochzeit teil. Inkognito, versteht sich, der Unfassbare soll sich in Sicherheit wiegen. Schließlich kämen seine Freunde nie und nimmer auf die Idee, den schönsten Tag seines Lebens mit wilden Jagdgelüsten zu ruinieren …
Rebecca Crosby bürgt für die Glaubwürdigkeit
Rebecca Crosby ist von Anfang an mit von der Partie. Eine Reporterfigur in der Exposition auftreten zu lassen, ist ein beliebter dramaturgischer Kniff, um das Publikum abzuholen. Schließlich darf eine solche Figur von Berufswegen hemmungslos Fragen stellen; die Antworten helfen dabei, das Setting zu etablieren. In Catch Me! klopft Rebecca Crosby die Rahmenbedingungen ab. Worum geht es? Wer ist involviert? Wie sind die Spielregeln? Die Journalistin lässt sich aufklären, damit wir im Bilde sind. Das ist ihre wichtigste Funktion, mehr tut sie eigentlich nicht. Abgesehen von einer Ausnahme greift die Reporterin nicht in den Gegenstand ihrer Berichterstattung ein. Für den Rest des Films ist sie „nur“ anwesend. Immerhin bürgt sie so für den Wahrheitsgehalt der Geschichte. Als Zeugin dieses Schau- bzw. Fangenspiels wird sie später darüber berichten.
Das insofern interessant, als dass die wahre Geschichte hinter Catch Me! durch einen Zeitungsartikel bekannt wurde. Im Januar 2013 veröffentlichte der Journalist Russell Adams im Wall Street Journal einen Artikel über eine Männerrunde, die seit 23 Jahren ihr Fangenspiel aus Schulzeiten fortsetzt (Bezahlinhalt). Durch weitere Erwähnungen im Fernsehen, aber auch durch den Buzz, den der sympathisch-verrückte Freundschaftsbeweis in den Sozialen Medien erzeugte, erlangten die betagten Fänger nationale Berühmtheit.
Wahre Freundschaft: Die echte Geschichte hinter Catch Me!
Die Story des Films ist natürlich hollywood-typisch zugespitzt, viele „Überfälle“ entspringen der Fantasie der Autoren. Andere wiederum sind der Wahrheit entlehnt: etwa die „Ablösung“ auf einer Beerdigung. Weil sie im ersten Augenblick pietätlos erscheint, wirkt diese Episode wie ausgedacht. Tatsächlich soll sie sich in ähnlicher Form zugetragen haben: Bei einer Abschiednahme seien nicht nur Beileidsbekundungen ausgesprochen, sondern auch die Rollen des Spiels getauscht worden. Der Verstorbene, Vater eines Teilnehmers, hätte es lustig gefunden, heißt es. Ein schöner Toast aufs Leben. Einige der Einfälle, die Eingang in den Film fanden, sind in dem folgenden Video zu sehen – freilich sind einige Szenen eigens für den Beitrag inszeniert worden.
Aufmerksamkeitsdefizit oder journalistischer Riecher?
Gerade die journalistische Inszenierung der Geschichte wirft – zumindest aus Sicht dieses Blogs – Fragen auf. Was sagt es beispielsweise über den Journalismus aus, wenn sich Rebecca Crosby von dieser zugegebenermaßen sympathischen, aber wenig weltbewegenden Story ablenken lässt? Das eigentliche Interview, das sie unter Realbedingungen wohl kaum aus dem luftleeren Raum heraus führen würde, spielt im Kontext des Films keine Rolle mehr. Dabei schien der ursprüngliche Berichtsanlass mit einem öffentlichen Interesse garniert: Immerhin leitet die Journalistin das Interview mit Corporate Guy Bob mit harten Fragen zu Betrugspraktiken in der Branche ein.
An dieser Stelle ließe sich ein Aufmerksamkeitsdefizit der Medien konstruieren und einem Journalismus auf die Spur kommen, der sich lieber leicht verdaulichen soft news hin- und seine Verantwortung als ökonomisches Frühwarnsystem aufgibt. Natürlich: Einen leichtfüßigen Film wie Catch Me! derart abzugrätschen, kommt nur Muffeln wie mir in den Sinn. Catch Me! geht es gerade darum, die Kleinigkeiten im Leben zu zelebrieren. Mal auszubrechen. So gesehen ist das Verhalten der Journalistin Rebecca geradezu vorbildlich. Weil sie sich nicht darauf versteift, ihre vorgefertigten Interviewfragen herunterzubeten, weil sie empfänglich bleibt für überraschende Wendungen, die Geschichten im journalistischen Sinne nehmen können. Und letztlich auch erfolgreich machen. Gemessen an der medialen Beachtung hat Rebecca Crosby einen guten Riecher bewiesen. Solange die Betrugsthemen nicht anfangen zu stinken …
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