Der Dokumentarfilm Auf der Spur des Geldes umreißt zwei Enthüllungen von CORRECTIV, in denen verborgene Geldflüsse eine wichtige Rolle spielen.
Der Dokumentarfilm Auf der Spur des Geldes umreißt zwei Enthüllungen von CORRECTIV, in denen verborgene Geldflüsse eine wichtige Rolle spielen.
Als „Die Unbestechlichen“-Autor William Goldberg dem Watergate-Whistleblower Deep Throat die Worte „Follow the money“ in den Mund legte, erschuf er nicht nur ein Filmzitat für die Ewigkeit, sondern auch einen Merksatz, den sich Investigativjournalist*innen aus aller Welt bis heute zu Herzen nehmen. Der ZDF/ARTE-Dokumentarfilm Auf der Spur des Geldes umreißt gleich zwei Enthüllungen von CORRECTIV, in denen verborgene Geldflüsse eine wichtige Rolle spielen.
Text: Patrick Torma. Bildmaterial: Corso Film.
Programmhinweis: Auf der Spur des Geldes wird am Dienstag, 9. November, um 23.25 Uhr auf ARTE erstausgestrahlt. CORRECTIV hat mir den Film dankenswerterweise vorab zugänglich gemacht.
Die BILD-Zeitung hat es getan. Die Süddeutsche Zeitung ebenso. Nun lädt auch CORRECTIV zur journalistischen „Peepshow“: Vor der Kamera geben die Reporter*innen des gemeinnützigen Recherchezentrums Einblick in ihre Arbeit. Die atmet ganz klar den Geist von Bob Woodward und Carl Bernstein, rückt aber auch einige tradierte Bilder vom Journalismus gerade*. Geheime Treffen in schummrig beleuchteten Tiefgaragen waren gestern. Heute trifft man bzw. frau sich auf Bahnhofsparkplätzen in der niedersächsischen Provinz. Aber Flaps beiseite und alles auf Anfang.
*Hörtipp: Mit Jonathan Sachse von CORRECTIV, der in Auf der Spur des Geldes ebenfalls zu sehen ist, habe ich bereits einige Journalistenfilm-Klischees abgeklopft – in Folge #22 von journalistenfilme.de – der Podcast, am Beispiel des Oscar-prämierten Films Spotlight.
Zwei Scoops in einem Film
Denn Auf der Spur des Geldes holt weit aus. Aufhänger sind zwei Recherchen, die jüngst für Aufsehen sorgten. Erst enthüllte CORRECTIV gemeinsam mit DER SPIEGEL und ZDF–frontal im Vorfeld der Bundestagswahl die Hintergründe einer anonym finanzierten Plakatkampagne zugunsten der AfD. Ende Oktober dann war das Recherchezentrum an einer weltweit konzertierten Medienveröffentlichung beteiligt – der Titel: CumEx-Files 2.0. Beide Scoops sind Früchte langer Fortsetzungsgeschichten: Schon bei der Erstenthüllung vor drei Jahren war CORRECTIV an Bord. An der AfD und ihren Schattenmännern ist das Recherchezentrum bereits seit 2016 dran. Unabhängig von kommerziellen Trägern, wohlgemerkt.
Diese bemerkenswerte Beharrlichkeit darzustellen, ist den Filmemacherinnen Susanne Binninger und Britt Beyer ein sichtlich wichtiges Anliegen. Das birgt allerdings narrative Tücken. Beide Themen sind komplex und erzählen sich nicht im Vorbeigehen. Auf den ersten Metern ist Auf der Spur des Geldes vor allem ein Erklärfilm. Wie hat alles für CORRECTIV angefangen? Warum sind diese Themen gesellschaftlich relevant? Und worum geht es überhaupt?
Der CumEx-Skandal, leicht erklärt
Gerade der CumEx-Steuerbetrug zeichnet sich dadurch aus, dass er überhaupt möglich wurde, weil nur wenige Menschen das Prinzip dahinter verstehen. Auf der Spur des Geldes droht sich in off screen-Kommentierungen, Schaubildern und den Erklärungen eines Wirtschaftsexperten zu verlieren – bis Journalist Oliver Schröm doch noch einen bildlichen Vergleich findet, der beinahe The Big Short-Qualitäten (Stichwort: Fischeintopf) erreicht: Man stelle sich die CumEx-Leerverkäufe einfach als Kindergeldhinterziehung eines kinderlosen Paares mit geliehenem Spross vor.
Da das Ganze ohnehin nicht zur Nachahmung empfohlen ist: Diese grobe Vorstellung reicht völlig aus, um die kriminelle Energie hinter diesen „Geschäften“ zu verstehen. Den Rest erledigen die Unsummen mit ihren vielen Nullen, die über den Bildschirm fliegen. Dennoch: So sehr sich der Film bemüht, das Thema verständlich zu machen, richtig plastisch wird es selten. Was auch für die journalistische Arbeit gilt, die sich nur schwer abbilden lässt. Abgesehen von einem Interview mit einem Insider, der in seinem goldenen Käfig in Dubai nur darauf wartet, bald wieder dem Club der aktiven Finanzschergen beitreten zu können, spielen sich die gezeigten Recherchen auf digitaler Ebene ab – Datenpakete und Videokonferenzen sind eben nur bedingt telegen.
Investigative Recherche als Gemeinschaftsleistung
Was der Film am Beispiel von CumEx aber sehr wohl verdeutlicht: Moderner Investigativjournalismus ist längst keine Soloveranstaltung mehr. Gier kennt keine Grenzen, und um den globalen Geldströmen sowie immensen Datenmengen überhaupt begegnen zu können, gehen Redaktionen verstärkt internationale Kooperationen ein. Viele der aufsehenerregenden Wirtschafts- und Steuerskandale der jüngeren Vergangenheit sind das Ergebnis weltumspannender Recherchen und gemeinsamer Veröffentlichungsstrategien.
Journalistische Alleingänge haben nicht bloß ausgedient, sie lassen sich angesichts der Komplexität der Themen schlichtweg nicht mehr bewältigen. Die investigative Reportage verlangt Ressourcen und eine starke Organisation. Deswegen sehen wir im Reaktionsalltag von CORRECTIV nicht nur „klassische“ Reporter*innen, sondern auch Datenjournalist*innen, Wissenschaftler*innen oder Jurist*innen. Jede Silbe einer Veröffentlichung muss penibel der journalistischen Sorgfaltspflicht standhalten. „Man muss immer vom Schlimmsten ausgehen – dass man am Ende vor Gericht steht“, fasst ein Faktenchecker zusammen, was andere Redaktionen durchaus abschreckt, die echten heißen Eisen anzufassen.
Plötzlich Whistleblower: Frauke Petry und Marcus Pretzell
Dramaturgisch griffiger sind die Recherchen im Zuge der AfD-Spendenaffäre. Auch, weil wir mit Gabriela Keller und Marcus Bensmann zwei „Protagonist*innen“ über einen längeren Zeitraum verfolgen. Keller wälzt Dokumente, fährt quer durch die Republik und trifft Informant*innen, in der Hoffnung, einen Beleg für die Verbindung zwischen der AfD und einem milliardenschweren Einflussnehmer aus der Schweiz aufzutreiben. Die Suche nach der „Smoking gun“ ist mühselig – und manchmal auch zermürbend. „Ich brauch’ mal einen halben Tag Pause“, seufzt Keller als eine Spur erneut in einer Sackgasse endet.
Das Feststecken gehört zur investigativen Recherche dazu. Ebenso wie der Kick, wenn es an irgendeiner Stelle doch wieder weitergeht. So berichtet Marcus Bensmann, wie er seit den Anfangstagen der AfD versucht, Frauke Petry und Marcus Pretzell, das ehemalige Promi-Pärchen der Partei, als Informant*innen zu gewinnen. Ein kleines Puzzleteil im Spendenskandal erweist sich schließlich als Türöffner. Ohne den Ausgang der Geschichte en detail zu verraten: Jemanden wie Frauke Petry, die einst den Begriff Pinocchio-Presse pflegte, plötzlich vor einer CORRECTIV-Kamera zu sehen, mutet fast schon surreal an.
Auf der Spur des Geldes erklärt viel
Die Petry-Pretzell-Episode gehört sicher zu den erinnerungs- wie diskussionswürdigsten Momenten des Films. Viel Zeit, sämtliche Spannungsfelder – den Umgang mit Whistlerblower*innen, die Abwägung von Interessen etwa – zu vermessen, bleibt allerdings nicht. Auf der Spur des Geldes fährt ein straffes Programm: Der Film klärt Missstände auf, macht journalistische Arbeit transparent, beschwört die Kraft investigativer Recherchen und ist Arbeitsnachweis eines umtriebigen Recherchekollektivs.
Auf der Spur des Geldes schreibt sich auf die Fahnen, selbst wie eine saubere Recherche zu sein: akkurat, präzise, professionell. Das führt jedoch auch dazu, dass die Dokumentation zu Beginn und im Mittelteil reichlich durchgetaktet daherkommt. Kaum eine Szene bleibt unkommentiert, wodurch der Fokus oft auf dem Gesagten als auf dem Gezeigten liegt. Gerade im Vergleich mit Dokumentationen wie Colectiv, Die letzten Reporter oder Hinter den Schlagzeilen fällt auf, wie wenig Auf der Spur des Geldes für sich sprechen lässt.
Redaktioneller Endspurt mit Krimi-Qualitäten
Zugegeben, die genannten Filme nähern sich dem Journalismus thematisch wie stilistisch anders an. Parallelen lassen sich am ehesten mit Daniel Sagers Schulterblick in das Investigativ-Ressort der Süddeutschen Zeitung ziehen. Denn wie Hinter den Schlagzeilen ist auch Auf der Spur des Geldes dann am stärksten, wenn die Kameras ausgeblendet scheinen. Im letzten Drittel kommt es zu einem redaktionellen Endspurt, der Krimi-Qualitäten entwickelt. Wie auch im Fall von Ibiza-Gate ist der Ausgang bekannt, dennoch zieht es uns mit den Journalist*innen von CORRECTIV in den berüchtigten „Tunnel“. Die Anspannung wird greifbar, es sind Momente des Hoffens und Bangens, die uns die Menschen hinter den Recherchen näherbringen.
Diese Hinwendung zum Direct Cinema bereichert die lange sehr sachliche Dokumentation um eine zusätzliche Ebene, ohne die mir persönlich etwas gefehlt hätte. Aber das ist letztlich eine Frage der Erwartungen. So oder so: Der Film bringt auf den Punkt, woraus sich das Kofferwort CORRECTIV zusammensetzt: Recherchen im Kollektiv, die gesellschaftlich etwas bewegen sollen. Denn bei aller krimineller Energie, die sich hinter CumEx und der AfD-Spendenäffare verbirgt: Sie kommt auch deshalb zur Entfaltung, weil sich niemand um die entsprechenden Schlupflöcher kümmert. Vor dem Hintergrund ist Auf der Spur des Geldes eine äußerst aussagekräftige Visitenkarte.
COMMENTS
Hallo Patrick,
vielen Dank für den tollen Sneak zur Doku. Ich bin schon in einer Gruppe darauf aufmerksam geworden und halte hoffentlich bis 23.25 Uhr durch, um die Doku anzusehen. Dein Artikel hat mich noch neugieriger gemacht. Ich studiere Journalismus und könnte mir gut vorstellen investigativ zu arbeiten. Ich habe aber auch schon gelesen, dass es gar nicht so einfach ist in diesen “Inner Circle” zu kommen. Hast du schon mal investigativ gearbeitet? Wenn ja, wie war’s? Wenn nein, warum nicht und könntest du es dir auch vorstellen?
Grüße
Valerie
Hallo Valerie,
Dank Dir für die lobenden Worte. Der Film zeigt ja: Investigative Recherche gelingt kaum aus dem Stand. Nicht zuletzt, weil die Geschichten Beharrlichkeit verlangen und sich in “regulären” Redaktionen mit einer Tagesaktualität oft nur schwer realisieren lassen. Ich selbst habe nie in einem reinen Recherche-Ressort gearbeitet, daher würde ich nicht behaupten, richtig investigativ unterwegs gewesen zu sein. Gleichwohl habe ich auch schon länger an Geschichten gearbeitet, um Informationen “herauszubekommen”, die andere nur ungern in der Zeitung lesen wollten und dafür investigative Methoden angewendet. Akten und Dokumente wälzen, Querverbindungen ziehen, das ist schon meins. Aber um als Investigativreporter an vorderster Front zu wirken, fehlt mir, denke ich, das letzte Quäntchen zum Wadenbeißer. Da bin ich mehr Erklärer als Enthüller.
Viele Grüße
Patrick
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