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journalistic relief #2: April O’Neil – Journalistin zwischen Emanzipation und Unschuld

Cowabunga! Ich gebe zu: Reporterin April O`Neil aus Teenage Mutant Hero Turtles war meine erste große Zeichentrickliebe.                           

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April O'Neil mit Leonardo aus der Comic-Serie Teenage Mutant Hero Turtles.

Cowabunga! Ich gebe zu: Reporterin April O`Neil aus Teenage Mutant Hero Turtles war meine erste große Zeichentrickliebe.                                                           

Irgendwann in den Neunzigern haben wir uns dann aus den Augen verloren, jeder ging eigene Wege. Zwanzig Jahre später das Wiedersehen. Ohne rosa Brille. Steckt in der Reporterin mit dem kanariengelben Jumpsuit ein journalistisches Vorbild?

Von Patrick Torma. Bildermaterial: Mirage Studios/New Cinema Line/Paramount.

April O’Neil ist eine journalistische Quereinsteigerin. Bevor sie für Channel 6 auf Sendung geht, verdingt sie sich als Hackerin und wissenschaftliche Assistentin von Dr. Baxter Stockmann (der mit dem späteren Fligenantlitz). Als solche wird sie zumindest in den originären Mirage Comics eingeführt. Erst mit der ab 1987 ausgestrahlten Cartoon-Serie wechselt sie ins journalistische Fach. Der dramaturgische Vorteil liegt auf der Hand. Als Feldreporterin im Großstadtdschungel lebt es sich gefährlich – beste Voraussetzungen für Aprils Rolle als Damsel in Distress, als verfolgte Unschuld, die es immer und immer wieder zu erretten gilt.

Schon in der Pilotfolge kommt dieser klassische Rollentypus zum Tragen: April O’Neil ist die erste Figur (sieht man von den Kurzauftritten Rocksteadys und Bebops in ihrer menschlichen Form als Straßenpunks ab), die uns vorgestellt wird. Gleichzeitig führt sie uns in das Setting der Serie ein: „Kriminalität – das ist etwas, was wir für selbstverständlich hinnehmen. Denn sie ist in unseren Großstädten eine alltägliche Sache geworden“, sind die ersten Worte ihrer Reportage über eine rätselhafte Einbruchsserie in den wissenschaftlichen Zentren New Yorks. Die Aufnahme ist im Kasten, da wird sie von einer Horde Rowdys überrascht. Die Turtles eilen ihr erstmals zur Hilfe.

Damsel in Distress mit Selbstbewusstsein

Zur Ehrenrettung der April O’Neil sei gesagt: So ganz unschuldig ist die junge Reporterin nicht. Sie ist keine klassische Ingenue, kein naives Ding. Sie ist eine selbstbewusste und mutige Frau. Ganz im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen, die sich frühzeitig verabschieden, noch bevor die Situation brenzlig wird („Ihr Waschlappen! Das ist unser Job“)! Ihren Angreifern schleudert sie eine Kamera entgegen. Keinen Camcorder, wohlgemerkt (Megan Fox rennt in der von Michael Bay produzierten Kinoadaption von 2014 mit einer kleinen DigiCam durch New York…). Sondern eine massive Schulterkamera. Diese Frau muss man einfach lieben.

Gegen eine Gruppe gierender Pöbel-Punks steht aber selbst die taffeste Frau auf verlorenem Posten. Ja, April O’Neil ist immer wieder auf die Hilfe ihrer mutierten Freunde angewiesen. Aber nur, weil sie sich in ihrem journalistischen Pflichtbewusstsein der Gefahr stellt. Sie ist keine unbeteiligte Nebenfigur, die lediglich aufgrund ihres Verhältnisses zum Helden in die Schusslinie gerät. Oft genug setzt sie die Handlung mit ihren Recherchen in Gang, dank ihrer (mehr oder minder) verdeckten Ermittlungen ist sie den Turtles eine wichtige Informationsquelle.

Eine Szene aus der Realverfilmung von 1990: April O'Neil lädt zum Pizzaessen mit den Hero Turtles.

Stets im Mittelpunkt: April O’Neil ist keine Nebenfigur, sie treibt die Handlung voran. So auch in der ersten Realverfilmung von 1990. Auch wenn sie leicht in die Rolle des Love-Interest abdriftet.

Besser als viele Hollywood-Journalistinnen

Eine Beziehung, die auf Gegenseitigkeit beruht: Im Windschatten der gepanzerten Rächer erfährt April O’Neil mehrund mehr über die kriminellen Machenschaften in der Stadt; diese Verbindung sichert ihr eine Exklusivität. Im Gegenzug bewahrt sie das Geheimnis ihrer neuen Weggefährten. Natürlich könnte sie auch über die Turtles selbst berichten (mannsgroße, sprechende Martial Arts-Schildkröten wären schon mal eine Schlagzeile wert). Der Kampf gegen die Kriminalität ist jedoch ein zu nobles Ziel, um es für einen spektakulären, aber wenig nachhaltigen Scoop aufs Spiel zu setzen. Die Parallelen zu Supermans Lois Lane sind unverkennbar.

Man darf der April O’Neal aus der Zeichentrickserie unterstellen, dass sie eine Idealistin ist. Damit ist die Cartoon-Journalistin vielen fiktiven Kolleginnen in Film und Fernsehen voraus: Nicht selten werden weibliche Pressevertreter als berechnende Karrieristinnen dargestellt, jederzeit bereit, Beischlaf gegen Beförderung einzutauschen. Ein paar Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit beschreibt Marin Cogan in dem Artikel „Why can’t Hollywood get female journalists right?“. Eltern und Pädagogen mögen an dieser Stelle die Hände über den Kopf zusammenschlagen: Aber tatsächlich kommt in einer Cartoon-Serie über Schwerter und Nunchakus schwingende Schildkröten eine Figur vor, die das Zeug zu einem Vorbild hat. Natürlich sind April O’Neils fahrlässige Undercover-Methoden wenig empfehlenswert, und auch ihr Fetisch für ausgedehnte Spaziergänge durch die New Yorker Kanalisation wirft einige Fragen auf. Alles in allem ist April O’Neil eine durchaus ernstzunehmende Frauen- und Journalistenfigur. Zumindest ernstzunehmender als viele andere.

Von der Idealistin zum Sexobjekt

Leider hat Hollywood diese beachtenswerte Comic-Frau inzwischen zu einem sexualisierten Schauwert degradiert. Was in der ersten Realverfilmung aus dem Jahre 1990 noch ordentlich funktioniert – die von Judith Hoag gespielte April geht sogar so weit, dass sie für ihre Recherchen eine Kündigung riskiert, driftet allerdings zunehemd in die Rolle des Love-Interest ab – geht in der neuesten Verfilmung (2014) gründlich daneben.

Gespielt wird die 2014er April von Megan Fox: Die Michael Bay-Muse kehrte nach ihrem Hitler-Vergleich am Transformers 3-Set reumütig in den Schoss des Bombast-Produzenten zurück. Ob sie diese Rolle rückwärts bereut? Lobeshymnen auf ihre Performance blieben aus, im Gegenteil: Die Hollywood-Schönheit sah sich mit harscher Kritik konfrontiert.

In der Turtles-Verfilmung von 2014 wird April O'Neil von Megan Fox gespielt.

DigiCam statt Schulterkamera: Megan Fox spielt in Teenage Mutant Hero Turtles keine Journalistin. Megan Fox spielt Megan Fox. Schuld am Etikettenschwindel ist das dünne Drehbuch.

Michael Bay kann April nichts anhaben

Immerhin bemüht sich die 2014er April, ernst genommen zu werden, indem sie jenen Klatschgeschichten abschwört, für die sie ihr Chef ständig einplant. Ihre Sehnsucht nach bedeutender Berichterstattung ist ihr wohl lobenswertester Zug, allerdings erfolgt dieser weniger aus idealistischen, sondern aus egoistischen Motiven heraus. „Dafür war ich nicht auf der Journalistenschule“, kommentiert sie ihre boulevardesken Ausflüge. Leider scheint sie dort nicht besonders gut aufgepasst zu haben. Dass sie ohne handfeste Beweise mit ihrem Zeugenbericht über die Turtles hausieren (und damit den Anstand der Zeichentrick-April vermissen lässt!) geht, ist nur der Gipfel der journalistischen Unzulänglichkeiten.

Fairerweise muss man sagen: Gegen das dünne Drehbuch kann Megan Fox nicht anspielen. Ihre Filmumwelt erinnert sie permanent an ihre Funktion als schmuckes Eye Candy, das die Hormone des pubertierenden Publikums in Wallung bringen soll. Die unbeholfenen Flirtversuche von CGI-Kröte Michelangelo und ihres Kameramanns Vern (Will Arnett), der ihr nur behilflich ist, um bei ihr zu landen, sind Leinwandmanifestationen dieses Hormonstaus. Das mangelnde Zutrauen der Vorgesetzten in Aprils Fähigkeiten und die niedrigen Erwartungen an Megan Fox’ Schauspielkünste verschmelzen miteinander – mit schwerwiegenden Folgen: Der Zuschauer nimmt ihr die Rolle der Journalistin zu keinem Zeitpunkt ab. Megan Fox spielt Megan Fox. Einerseits schade, weil die Figur der April O’Neil eine Menge Potenzial birgt. Andererseits ist Fox’ Performance zu abstrakt, als dass sie mir die schönen Erinnerungen an meinen einstigen Zeichentrickschwarm verhageln könnte.

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COMMENTS

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    Schön gesagt! Und die perfekte Erklärung, weshalb ich mich damals (wohl ebenfalls) so in eine Zeichentrickfigur verguckt habe. 🙂

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      Vielen Dank ;)! War selbst überrascht, wie sympathisch die Figur noch immer ist. Normalerweise laufen solche Charaktere Gefahr, besserwisserisch aufzutreten.

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