Eigentlich ist Fantasio, der Reporter aus den Spirou und Fantasio-Comics, ein einfallsreicher Geselle.
Eigentlich ist Fantasio, der Reporter aus den Spirou und Fantasio-Comics, ein einfallsreicher Geselle.
In der 2018er-Realverfilmung Die Abenteuer von Spirou und Fantasio hingegen ist der raffinierte Technik-Nerd eine plärrende Nervensäge. Und damit als Sidekick komplett verschenkt.
Text: Patrick Torma. Bildmaterial: Euro Video.
Der kleptomanische Hotelpage Spirou ist mal wieder auf Diebestour am eigenen Arbeitsplatz: Er trifft dabei auf den exzentrischen Wissenschaftler Graf von Rummelsdorf, der sich im Besitz eines wertvollen Zauberpilzes befindet. Spirou badet gedanklich in den Hehler-Millionen, da wird der Professor entführt. Denn auch Superschurke Zorglubs möchte von den magic mushrooms naschen. Der Fungus stellt eine wichtige Zutat in seinem Welteroberungsrezept dar. Gemeinsam mit Reporter Fantasio startet Spirou eine Rettungsmission.
Spirou und Fantasio (Original: Spirou et Fantasio) sind die Protagonisten einer Comic-Serie, die zu den erfolgreichsten Europas gehört. Bereits 1938 erschien die erste Geschichte aus der Feder des Schöpfers Rob-Vel, bis zum heutigen Tag erlebt das Duo immer wieder neue Abenteuer. Dabei hat sich Spirou über die Jahre zum eigentlichen Helden der Comics gemausert, für Fantasio ist der Part des impulsiven Sidekicks reserviert. Eine Rollenverteilung, wie sie beispielsweise auch zwischen Tim und Kapitän Haddock aus den Tim und Struppi-Comics funktioniert.
Vom Haustürvertreter zum Reporter: Quereinsteiger Fantasio
In seiner Profession jedoch liegt Fantasio ganz nahe bei eben jenem Tim, der überall als der „berühmte Reporter“ bekannt ist*. Fantasios Bekanntheitsgrad reicht nicht ganz so weit, er ist aber auch ein Quereinsteiger: Nachdem er sich zunächst als Job-Hopper durch die Comics schlägt, wechselt er in den 1950er-Jahren fest ins journalistische Fach. Vorher tritt Fantasio unter anderem als Privatschnüffler oder Haustürvertreter in Erscheinung. Der Journalist zeichnet sich in den späteren Comics durch seine Vorliebe für technische Spielereien sowie den Hang zu merkwürdigen Recherchemethoden aus. Für eine Reportage schwingt er sich schon mal in einen Gorilla Suit.
* Podcast-Tipp: Tim, der Reporter – woher rührt sein Ruhm, wenn er doch kaum schreibt? Mit Jasper und Chris vom Mühlenhof-Podcast schauen wir Timauf die Finger – in Episode #13 von journalistenfilme.de – der Podcast.
Dieser Einfallreichtum geht Fantasio in der Realverfilmung Die Abenteuer von Spirou und Fantasio leider ab. Unter der Regie von Alexandre Coffre schaffte es der Film passend zum 80. Geburtstag der Reihe in die französischen Kinos. Hierzulande übersprang man die Kinoauswertung – Spirou und Fantasio scheinen in Deutschland nicht die Zugkraft der französischen bzw. franko-belgischen Comic-Größen Asterix und Obelix oder eben Tim und Struppi zu besitzen. Da das Lichtspiel-Abenteuer von Spirou und Fantasio allerdings schon im Mutterland kein kommerzieller Erfolg war, erübrigte der deutsche Kino-Release sowieso.
Ein „glückloser“ Journalist als quengeliger Sidekick
Angesichts der Qualität des Films kein herber Verlust. Zwar ist Die Abenteuer von Spirou und Fantasio keine Vollkatastrophe. Wie man ein Comic-Maskottchen richtig versenkt, zeigt beispielsweise Auf den Spuren von Marsupilami mit seinem diskriminierenden Humor. Gleichwohl ist der Film von der ersten Minute an vergessenswert. Die Hatz, die mehrere Länder umspannt, lässt elementare Eigenschaften einer gelungenen Abenteuerkomödie vermissen: Eine rasante Story. Interessante Orte, die das Fernweh wecken. Gags, die mehr als nur ein müdes Lächeln entlocken. Eine Chemie zwischen den beiden Hauptfiguren, die das wohlige Gefühl bromantischer Buddy-Action weckt.
Reporter Fantasio quengelt sich durch den gesamten Film. Ein Sidekick sollte Spaß machen. Die von Alex Lutz gespielte Figur nervt nur. Deutsche Rezensionen schreiben etwas von einem „glücklosen“ Journalisten. „Glücklos“ hieße jedoch, dass jemand allen Kraftanstrengungen zum Trotz erfolglos bliebe. Fantasio ist ein tollpatschiger, selbst überschätzender „Pressefutzi“, der es nicht schafft, sich ordnungsgemäß für ein Interview zu akkreditieren. Zudem führt er eine kindische Dauerfehde mit der Journalistin Steffani, die in einer unausweichlichen „Was sich liebt, das neckt sich“-Romanze mündet.
Ersparen wir uns den Blick auf Einzelszenen. Der Journalist als Witzfigur ist ein beliebtes, althergebrachtes Rollenmuster, das seine Anfänge im Stummfilm nahm und in den Screwball-Komödien der 1930er-Jahre kultiviert wurde – gerade Sensationsreporter*innen bieten sich ja für eine sarkastische Figurenauslegung an. Doch diese Ebene lässt die Realverfilmung von Spirou und Fantasio aus. Der Film versteift sich auf seine leidliche Agenten-Story. Bei dieser Schlaftablette helfen auch keine Zauberpilze mehr.
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COMMENTS
Ich schon wieder. Das war der Artikel, den ich bei Facebook sah, aber das Marsupilami hat mich abgelenkt. Ich bin großer “Spirou & Fantasio”-Fan früher gewesen und habe alle damals verfügbaren Comics gelesen. Eigentlich einfaches Material für eine Buddy-Kömödie.
PS: Der Mikrofon-Gag am Ende des Trailers hat mich schmunzeln lassen.