Der spanische-amerikanische Krieg als Kick-off für den Journalistenfilm: Die Bilder lernen laufen und die Medien sind mittendrin.
Der spanische-amerikanische Krieg als Kick-off für den Journalistenfilm: Die Bilder lernen laufen und die Medien sind mittendrin.
Ein Zeitungsfotograf scheitert bei dem Versuch, den Tross von US-Präsident William McKinley während eines Truppenbesuch abzulichten. Mit seinem komödiantischen Anstrich begeisterte der Stummfilm-Clip President McKinley’s Inspection of Camp Wikoff sein Publikum – Folge #2 von Ohne Worte, der Serie über Journalistenstummfilme.
Text: Patrick Torma.
Das Jahr 1898: Die Amerikaner balgen mit den Spaniern um die Herrschaft auf dem nordamerikanischen Kontinent. Der Konflikt zwischen den beiden Großmächten gilt unter Historikern als der erste Medienkrieg überhaupt, nicht zuletzt, weil er mit der Geburtsstunde des Films als Unterhaltungsmedium zusammenfällt.
Im November 1895 nehmen die Gebrüder Skladanowsky in Berlin erstmals Eintritt für eine Filmvorführung, im Dezember desselben Jahres ziehen die Brüder Lumière mit ihrem berühmten Zug nach, der die Zuschauer angeblich in Scharen aus dem Vorführungssaal flüchten lässt (heute weiß man, es war ein PR-Gag). Parallel tobt ein Zeitungskampf zwischen den Medienmogulen William Randolph Hearst und Joseph Pulitzer um Leser, Marktanteile und Einfluss – wer mehr zu den Hintergründen erfahren möchte, dem lege ich den Auftakt dieser Stummfilm-Serie ans Herz: Ohne Worte #1: War Correspondents. Im spanischen Krieg prallen ein gesteigertes Medieninteresse und der technische Fortschritt aufeinander, der Journalist betritt die Leinwand.
Besuch in Camp Wikoff, Montauk
Neben War Correspondents ist President McKinley’s Inspection of Camp Wikoff eines der frühesten Filmdokumente journalistischer Arbeit. Für die Zeit nicht selbstverständlich, ist der Clip gut erhalten und klar im Bild, verhältnismäßig zumindest. Die Ein-Satz-Kritik von James Carrigy auf Letterboxd jedenfalls entbehrt nicht einer gewissen Komik. „Good luck telling whose meant to be the president“, heißt es in der Filmdatenbank.
Die Kamera steht auf einer erhöhten Position, in der Ferne sind die vielen Zelte des Camps Wikoff zu erkennen. Bei Montauk an der Ostspitze von Long Island, New York, errichtet und nach einem in Kuba gefallenen Colonel namens Charles Wikoff benannt, diente das Camp als Quarantäne-Lager für zurückgekehrte Soldaten, die die Militärführung aus Angst vor Gelbfieber und anderen tropischen Krankheiten dort isolierte. Unter anderem waren hier der spätere US-Präsident Theodore Roosevelt und seine Rough Riders, Roosevelts berüchtigtes US-Freiwilligen-Kavallerieregiment, stationiert.
Ein frühes Stück Dokutainment
Roosevelts Vorgänger als US-Präsident, William McKinley, hetzt in einer offenen Kutsche durch die Szenerie, mit ihm sollen sein Vize, Garret Hobbart, und der Kriegsminister Russell A. Alger in dem Gefährt sitzen. Es folgen einige militärische Würden auf Gäulen, darunter Col. John Jacob Astor. Ein Zeitungsfotograf hält Astor an, für ihn zu posieren. Zunächst scheint es, als käme der Colonel dieser Bitte nach, Astor dreht aber ab und galoppiert auf seinem Pferd davon. Der Fotograf stapft kurz missmutig hinterher, muss aber einsehen, dass er den goldenen Schuss für heute verpasst hat. Eine weitere Kutsche fährt in entgegengesetzter Richtung durchs Bild, und schon ist der Spuk wieder vorbei.
President McKinley’s Inspection of Camp Wikoff ist nichts, was man als Filmhistoriker auf dem Schirm haben muss, ist aber insofern interessant, als dass es sich hier um ein frühes Stück Dokutainment handelt. Eine dokumentarisch intendierte Sequenz gewinnt aufgrund eines unvorhergesehenen Zwischenfalls an Unterhaltungswert. Wo er auch gezeigt wurde, erfreute sich der Clip großer Beliebtheit. Einem erfolglosen Zeitungsreporter sei Dank.
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