Es ist ja nicht so, als ob Paparazzi weit oben auf der Beliebtheitsskala stünden. Aber die blitzenden Flitzer gleich zum Abschuss freigeben?
Es ist ja nicht so, als ob Paparazzi weit oben auf der Beliebtheitsskala stünden. Aber die blitzenden Flitzer gleich zum Abschuss freigeben?
Genau das passiert im Spielfilmdebüt des ehemaligen Die Hard-Hair Stylisten Paul Abascal. Unter den gestrengen Augen von Produzent Mel Gibson. Dass der Superstar nicht das beste Verhältnis zum Berufsstand pflegt, ist bekannt. Dementsprechend gibt es ordentlich Keile.
Text: Patrick Torma. Bildmaterial: Warner Bros.
Bo Laramie (Cole Hauser) hat es geschafft – von ganz unten bis an die Spitze des Showgeschäftes. Das charismatische Landei wird als neuer Stern am Action-Himmel gefeiert. Und da liegt das Problem: Feiern sind selten Solo-Veranstaltungen. Kameras werden zum ständigen Begleiter. Laramie arrangiert sich widerwillig – bis er sich von Paparazzi Rex Harper (Tom Sizemore) in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt sieht. Der Schauspieler nimmt sich den Fotografen daraufhin zur Brust. Der findet den Gegeneingriff in seine eigene Privatsphäre widerum gar nicht komisch und schwört, dem Hollywoodstar das Leben zu versauen. Was gelingt: Nach einer Abendveranstaltung verfolgen Harper und seine Spießgesellen das Auto von Laramie, an Bord ist auch Laramies junges Familienglück. Geblendet vom Blitzlichtgewitter verliert er die Kontrolle über das Fahrzeug. Frau und Kind werden schwer verletzt. Am Krankenbett – der Sohnemann liegt im Koma – entschließt sich Laramie dazu, zurückzuschlagen.
Die Lizenz zum Töten ist ausgestellt. Endlich. Für einen Rachefilm nimmt er sich ziemlich viel Zeit. Dabei fletscht Paparazzi von der allerersten Minute an mit den Zähnen: Wir sehen Laramie, wie er einen roten Teppich entlang stolziert. Die ersten Meter sind noch erträglich. Dann setzt das Augenflimmern ein. Vor lauter Medienrummel wird der Bildschirm schwarz. Schnitt. Der nächste Tag: Laramie genießt seinen morgendlichen Dauerlauf am Einsiedler-Strand. „Einige Ethnien glauben daran“, beginnt er zu sinnieren, „dass jedes Mal, wenn man fotografiert wird, ein Teil der Seele verloren geht.“ Der Paparazzo, dein Feind und Seelenfänger.
Paparazzi ohne Anstand und Moral
Pech, dass der Film gleich mit seinem scharfsinnigsten Bild einsteigt. Danach driftet das Niveau hart dem Nullpunkt entgegen. Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema findet nicht statt. In einer kurzen, wachen Sequenz darf Antagonist Harper auf den gesellschaftlichen Hang zum Voyeurismus hinweisen, darauf, dass er und seine Kollegen eine Nachfrage bedienen. Allerdings in einem Nebensatz. Es ist nicht mehr als ein Alibi. Worauf Paparazzi drängt, ist die Legitimationsgrundlage für seinen leidlich spannenden Rache-Plot. Unschuld vom Lande setzt sich gegen skrupellose Aasgeier zur Wehr.
Ich will gar nicht des Teufels Advokaten spielen. Paparazzi haben ihren Ruf weg. Und das nicht ohne Grund. So gesehen sind Paparazzi ganz brauchbare Antagonisten. Das Problem ist nur: Der Film saugt aus seinen Antagonisten den letzten Funken Menschlichkeit heraus. Rex Harper und seine Foto-Buddies sind nichts weiter als Fratzen, die sich in ihrer Abartigkeit gegenseitig überbieten. Sie wühlen im Müll, belästigen Frauen („Schöne Beine. Wann machen die auf?“), provozieren Handgreiflichkeiten und drängen schließlich eine junge Familie von der Straße ab. Weil die Reminiszenz an den Unfalltod von Lady Di nicht ausreicht, halten die Paparazzi nochmal an. Um genüsslich Bilder zu schießen, versteht sich. Und damit selbst dem stoischsten Zuschauer die Hutschnur platzt, darf einer der Missetäter Hand an Laramies Frau anlegen und einen Busenblitzer inszenieren.
Paparazzi sind auch nur Menschen
Die Fotoclique in Paparazzi ist eine widerwärtig-homogene Masse; keine der vier Figuren (u.a. Tom Hollander) zeigt Anzeichen einer Charakterentwicklung. Es gibt keine Stimme der Vernunft, keinen im Ansatz mediativ veranlagten Gegenpol. Selbst als einer der Fotografen droht, von einer Klippe zu stürzen, hat er nichts Besseres zu tun, als Bo Laramie mit wüsten Drohungen einzudecken. Dabei war der gerade dabei, über seinen Schatten zu springen.
Wo kein Anstand ist, bedarf es keine Gnade. So funktionieren Rachegeschichten eben. Moralische Flexibilität ist von Vorteil, um Vergnügen an solchen Filmen zu empfinden. Aber noch mal: Das Problem ist nicht, dass der Film gegen Paparazzi schießt bzw. diese über die Klinge springen lässt. Hollywood soll ruhig fadenscheinig abledern. Das Problem ist, dass er dies auf eine plumpe, dämonisierende Art und Weise tut. Paparazzi startet keine Hexenjagd (dafür ist er zu alt, zu klein und – ja – auch zu belanglos). Wer aber ohnehin wenig für diese Berufsgruppe übrig hat, der wird ihr nach diesen 81 Minuten ganz bestimmt nicht versöhnlich auf die Schulter klopfen. Diesen Knopf drückt der Film ganz bewusst. Dabei sind Paparazzi auch nur Menschen. Meistens.
Jesus, Sizemore is so evil. This movie makes me really hate the paparazzi.
— Matt Ward (@mattttward) 25. September 2013
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Ein Film, um sie zu knechten – Paparazzi macht keinen Hehl daraus, was er von den aufdringlichen Fotoreportern hält. Für den fragwürdigen Spaß – über diesen Link ist der Film erhältlich.
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